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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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Kraftraum gab es keine Fenster. Kamps war meistens schon mit Jörg
     Neblung da, dem Athletiktrainer. Die beiden maßen sich im Bankdrücken. Neblung, ein ehemaliger Zehnkämpfer, hatte mit seinen
     langen Beinen aufgrund der Hebelwirkung eigentlich keine Chance, so viel Gewicht zu drücken wie der kleine, bullige Kamps,
     aber der Sportler in Neblung lebte, er pumpte, er drückte, er legte 120 Kilo vor, und Kamps zog nach, er wollte ihn übertreffen,
     unbedingt, jedes Mal. Robert Enke tat, als ob er gar nicht hinschaute.
    »Na, soll ich dir die Gewichte runternehmen?«, sagte Kamps, als er sah, dass sich Enke an einer Hantel versuchte, »am besten
     nimmst du nur die Stange, damit du dich nicht überhebst.« Kamps lachte, wie man über gute Witze lacht.
    |40| So sollte ein gutes Verhältnis unter Torhütern sein, fand Kamps; sportlich fair, herzlich hart.
    »Uwe genoss es, aus allem einen Wettkampf zu machen«, sagt der Athletiktrainer Neblung. »Er hatte eine hochprofessionelle
     Einstellung, er verließ immer als Letzter das Trainingsgelände. Nur mit solch einer Berufsauffassung konnte ein Profi Erfolg
     haben, da waren wir uns damals sicher.« Mit seinem kompromisslosen Trainingsfleiß hatte Kamps seine natürlichen Nachteile
     überwunden, eigentlich schien er zu klein für einen Torwart, doch trotz seiner Größe von nur 1,80 Metern hielt er sich schon
     ein Jahrzehnt unerschütterlich im Tor der Borussia.
    Der Athletiktrainer versuchte, den neuen Torwart zu einem ähnlichen Krafttraining wie Kamps zu überreden. Enke besaß eine
     breite Schulterachse, aber die dünnen Arme und Beine eines ungeformten Teenagers. »In ihm schlummerte ein Athlet«, sagt Neblung.
     Der Athletiktrainer hatte als ehemaliger Leichtathlet bei den Fußballern zunächst einen schweren Stand, denn Leichtathlet
     wurde man doch, weil man nichts am Ball konnte. Nach und nach waren mehr Spieler zu ihm gekommen, »Jörg, wir müssen dehnen«;
     »ey, Neblung, ich will was für meine Schnelligkeit tun«. In seinem dritten Jahr bei der Borussia war er in der Elf endlich
     halbwegs etabliert, da insistierte er nicht, als sich Robert Enke beharrlich einem gezielten Athletiktraining verweigerte.
     Er war doch nur der dritte Torwart. »Er trat nicht wirklich in Erscheinung«, sagt Neblung.
     
    Als Schüler war er auf andere zugegangen. Als dritter Torwart wurde er zum Beobachter.
    Borussia Mönchengladbach hatte in der Saison zuvor den DFB-Pokal gewonnen, die erste Trophäe seit sechzehn Jahren. Die Pokalsieger
     hatten Heldenverträge erhalten. Finanziell waren die Gehaltserhöhungen von beängstigendem Wagemut, aber Manager Rolf Rüssmann
     dachte zuerst an mögliche Erfolge und danach an Kreditrückzahlungsmodelle. Jäh war die Erwartung erwacht, dies könnten noch
     einmal die Siebzigerjahre werden, als der Verein das Utopia der Avantgarde war. Mit langhaarigen Spielern und freigeistigem
     Fußball hatte die Borussia |41| Meisterschaften in Serie erobert. Nun besaß Mönchengladbach mit dem Weltklassemann Stefan Effenberg, mit Martin Dahlin oder
     Christian Hochstätter wieder Figuren. Sie demonstrierten ihren Stellenwert auch gerne.
    Im Bus vom Trainingsplatz in Rönneter zurück zu den Duschen im Stadion am Bökelberg musste Robert Enke stehen. Es gab nicht
     genug Sitzplätze. Die Jüngsten blieben im Gang. Sollten erst einmal etwas leisten, fanden die Älteren.
    Als der Bus von der Kaldenkirchener scharf in die Bökelbergstraße einbog, stieß Robert Enke mit einem anderen der stehenden
     Jungen zusammen, Marco Villa. Villa war 18 und schmächtig. Als ihn Trainer Bernd Krauss zu Beginn der Saison in den Angriff
     schickte, weil die Etablierten keine Siege brachten, schoss Villa drei Tore in seinen ersten sieben Erstligaspielen. Das gab
     es noch nie in 33 Jahren Bundesliga. Wer etwas leistete, wer richtig Druck machte, der wurde auch mit 18 akzeptiert, erkannte
     Robert Enke an Villa.
    Villa schmierte den Älteren Seife in die Unterhose, während diese in der Dusche standen. Und die Älteren lachten.
    Er tat es nicht, um aufzumucken. Er wollte nur Spaß haben. »Ich habe nicht viel nachgedacht«, sagt Marco Villa. »Im Prinzip
     wollte ich nur aufgenommen werden bei den Etablierten im Team wie Effenberg oder Kalle Pflipsen. Ich wollte so sein wie sie.«
    Als Kamps Villa eines Tages von oben herab belehrte, antwortete er: »Weißt du, Uwe, es gibt Spieler, die respektiert werden,
     und solche, die gerne respektiert werden möchten. Du
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