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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke
Autoren: Ronald Reng
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hat meistens verloren, denn der andere kann sein Manöver durchschauen. Kujat schoss. Robert Enke flog.
     Er wehrte den Ball ab. Es war die beste Parade seiner noch kurzen Profikarriere. Aber er genoss sie wohl schon nicht mehr.
    In der Halbzeitpause sagte er verzweifelt zum Trainer: »Bitte wechseln Sie mich aus.«
    »Darauf muss man auch erst einmal kommen«, sagt der Vater. Ein Profi macht das nicht. Ein Profi kennt keine Schwäche.
    Eberhard Vogel, der Trainer, erwiderte Robert Enke in der Halbzeitpause in Leipzig, er solle keinen Blödsinn reden, und ließ
     ihn bis zum Abpfiff weiterspielen. Danach stellte er ihn nie wieder ins Tor.
    Die Mutter bemerkte, wie er zu Hause kaum noch redete, wie er nach dem Essen in sein Zimmer ging und die Tür hinter sich schloss.
     »Aber das kannte ich von Dirk doch auch schon so nach einem schlechten Hürdenrennen.«
    Nach einer Woche entdeckte Robert Enke zögerlich das Lächeln wieder und fuhr zum Westbahnhof. Er dachte damals nicht darüber
     nach, er sah keinen Zusammenhang, aber in den restlichen sechs Monaten der Saison, in denen er wieder der junge Ersatztorwart
     war, von dem niemand etwas erwartete, war er auch wieder fröhlich, ausgeglichen. Er dachte allenfalls, es müsse an Teresa
     liegen.
    Der Trainer hatte offen über den Vorfall in Leipzig geredet. »Dem Jungen fehlt jetzt das Selbstvertrauen. Er wollte, dass
     ich ihn in der Halbzeit rausnehme. Aber so einfach ist das nicht«, sagte Vogel den Sportreportern direkt nach dem Spiel.
    |35| Zehn Jahre später hätte dies das Ende für einen Torhüter sein können: Er machte einen Anfängerfehler und bettelte danach,
     zur Halbzeit verschwinden zu können. Die Nachricht wäre durch das Internet gegangen, über das Deutsche Sportfernsehen und
     unzählige anderen Medien verbreitet worden, die aus Zweitligaspielen mittlerweile ein Ereignis machen. Ein Ruf hätte sich
     in der klatschsüchtigen Profifußballszene zementiert: Der ist labil. Damals aber blieb die Nachricht in einer 16-Zeilen-Randmeldung
     in der
Ostthüringischen Zeitung
hängen.
    Die Bundesligavereine, die bei seinen bemerkenswerten Jugend-Länderspielen auf ihn aufmerksam geworden waren, interessierten
     sich ungebrochen für ihn. Einige hatten in den zurückliegenden Jahren bei den Eltern vorgesprochen, darunter ein Herr von
     Bayer Leverkusen, der sagte: »Guten Tag, Reiner Calmund hier«, und dann Punkt und Komma nicht benutzte, der in vierzig Sekunden
     zehn Sätze unterbrachte. Den besten Eindruck hinterließen die Gesandten von Borussia Mönchengladbach. Denn anders als etwa
     Leverkusen oder der VfB Stuttgart, anders als üblich, schickte die Borussia nicht nur den Sportdirektor, sondern auch den
     Torwarttrainer.
    Vor dem Abitur gehe er nicht fort, hatten ihm die Eltern auferlegt, nun aber rückte der Sommer 1996 näher, das Ende der Schulzeit.
    Teresa überlegte laut, wo sie gemeinsam zur Universität gehen könnten, sie dachte an ein Lehramtsstudium oder Tiermedizin.
    »Was hältst du von Würzburg?«
    »Na ja, ich spiele ja auch noch Fußball.«
    »Ist das denn so wichtig? Aber gut, in Würzburg gibt es sicher auch einen Verein.«
    »Nein, also, ich meine Profifußball. Es gibt da einige Angebote.«
    »Und?«
    »Die bieten ja auch nicht das schlechteste Gehalt. In Mönchengladbach könnte ich 12   000 Mark im Monat verdienen.«
    Also, dachte sich Teresa, da habe sie jetzt vielleicht doch ein klein wenig naiv geklungen dank ihrer Ignoranz in Sachen Fußball.
    |36| Wenige Tage, nachdem der Vater und Robert sich das erste Mal in Mönchengladbach mit den Machern der Borussia getroffen hatten,
     klingelte bei Dirk Enke das Telefon.
    Pflippen am Apparat. Er sei der Berater von Günter Netzer gewesen, Lothar Matthäus, Stefan Effenberg und Mehmet Scholl gehörten
     zu seinen Klienten. »Ich könnte Ihrem Sohn helfen.«
    Gewöhnlich nahm ein Fußballagent einen Spieler unter Vertrag und kümmerte sich dann für ihn um die Vereinssuche. Damals aber
     ging es oftmals noch etwas bequemer für die Handvoll Agenten, die den Markt beherrschten. Über ihre Informanten in den Bundesligavereinen
     erfuhren sie, wenn der Klub einen jungen Fußballer verpflichten wollte, der noch ohne Berater war. Postwendend bot sich der
     Agent dem Spieler an. So lief es mit Norbert Pflippen und Borussia Mönchengladbach in den Achtzigern und Neunzigern wohl gerne
     einmal.
    Pflippen, der Flippi, hatte eine Stärke: Er war einer der Ersten im Geschäft gewesen. So hielt
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