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Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return
Autoren: Gillian Philip
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sich in die Figur schoben und ließen sie mit ein paar Bemerkungen durch, die ich glücklicherweise nicht hören konnte. Als sie mich bemerkten, hoben sie die Köpfe und strafften die Schultern wie in einer Szene aus King Kong . Sie sahen mich an und dann sich gegenseitig und fragten sich offensichtlich, ob es sich lohnte, aber ich warf ihnen einen festen Blick zu und sah dann weg, entschlossen die Hände in den Taschen geballt und ohne das Tempo zu verringern: Ich bin nicht auf Ärger aus, aber wenn ihr nett darum bittet, könnt ihr ihn haben.

    Sie dachten wohl kurz daran, mir den Weg zu versperren, änderten dann aber ihre Meinung. Sie gingen mir zwar auch nicht aus dem Weg, aber immerhin änderten sie ihre Choreografie; wie unbeabsichtigt tat sich in ihrer Mitte ein Weg auf, und ich konnte zwischen ihnen hindurch, ohne jemanden anzurempeln und ohne dass sie darauf reagieren mussten. Wir haben alle unseren Stolz, aber wenn man nicht unbedingt auf Ärger aus ist … Und wer ist das schon zur Mittagszeit.
    Allie hatte mittlerweile einen großen Vorsprung, aber ich kannte die meisten ihrer Tricks, mir zu entwischen, und wusste, dass sie wahrscheinlich zu den Lagerhäusern laufen würde. Die lagen am Stadtrand, was ihr gefiel, denn sie hielt sich nicht gerne im Zentrum auf. In der Stadt waren viel mehr Menschen unterwegs. Doch hinter den Lagerhäusern und der Bahnlinie und dem Brachland mit den Plakatgerüsten hörte die Stadt auf und wurde zu etwas, was man auch noch nicht wirklich als »Land« bezeichnen konnte. Kaputte Zäune, Felder voller Unkraut und Weidenröschen, rostige Autowracks und ganze Rollen von alten Kabeln. Ein kleiner Bach, gesäumt von schlammfarbenem Schaum und zerrissenen Plastiktüten. Nicht gerade ein sonderlich poetischer Ort, aber Allie gefiel es. Keine Gebäude, wenn man mal von einer halb verfallenen Hütte und einem dreckigen Wohnwagen auf nur einem Rad absah. Dad hätte es bestimmt auch gemocht. Keine Leute. Kein Ärger.
    Ich konnte verstehen, dass es ihr hier gefiel, aber ich hätte mir gewünscht, dass sie nicht die Abkürzung nahm, um dorthin zu gelangen. Ich wünschte mir, sie würde nicht über die
Böschung an den Gleisen klettern, wo das Unkraut so dicht wuchs, dass man den rostigen Stacheldraht oder die kaputten Holzpfosten nicht sehen konnte, über die man stolpern und auf die Gleise fallen konnte. Ich wünschte, sie würde die halbe Meile bis zum Bahnübergang laufen wie alle anderen auch, aber Allie machte nie einen Umweg. Sie mochte die Straße nicht. Auf der einen Seite standen Häuser, deren lange Gärten durch hohe Zäune von der Straße getrennt waren. Auf der anderen Seite lag die Bahnlinie in einer Senke. Die Schienen tauchten aus einem Tunnel auf und schienen weiter hinten am Übergang zusammenzulaufen. Die Straße war schmuddelig und verlassen und im Winter kaum beleuchtet. Ich war selbst nicht sonderlich scharf darauf.
    Als ich jetzt am Ausgang des Tunnels die Senke erreichte, wusste ich, dass Allie auch diesmal diesen Weg genommen hatte. Im Unkraut zeigte sich ein frisch geschlagener Pfad, der im Zickzack zu den Gleisen führte. Abgebrochene Stängel und Baumwollflöckchen in der Luft wiesen den Weg. Vorsichtig begann ich seitlich hinunterzuklettern, die steile Böschung verdrehte mir die Knie. Der Boden unter meinen Füßen bestand aus trügerischem, losem Sand und im Unkraut verstreuten Steinen. Ich brauchte länger als Allie, um hinunterzukommen. Das war immer so und das war ein weiterer Grund, warum sie diesen Weg nahm. Ich kam mir vor wie ein Feigling, aber ich konnte nicht schneller.
    Nach drei Vierteln des Weges zu den Gleisen blieb ich stehen und sah an der Bahnlinie entlang. In der Ferne senkten sich seufzend die kleinen weißen Stangen, die die Bahnschranken darstellen sollten, nach unten, um die Straße zu
versperren. Dann hatte es keinen Sinn, weiterzugehen. Im Augenblick konnte ich die Gleise nicht überqueren. Deshalb ließ ich mich zwischen dem Unkraut nieder und wartete auf das Lied.
    Vielleicht lag es an der lang gezogenen Kurve im Tunnel oder an der tiefen Senke. Auf jeden Fall erklang das Lied nur als leises Summen, das mehr ein Gefühl als ein Geräusch war, ein Gespür in den Knochen und Nerven. In meinem Falle wohl eher in den Nerven.
    Träge zupfte ich den weißen Flaum an einem verwelkten Stängel ab und ließ ihn in der windstillen Luft zu den Gleisen treiben. Ich glaubte, ihn schwanken und zittern zu sehen, aber das bildete ich mir vielleicht
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