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Ritterturnier auf Schreckenstein

Ritterturnier auf Schreckenstein

Titel: Ritterturnier auf Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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wurde auch Ritter Fehlanzeige vom Roten Kreuz, mit rotierendem Blaulicht auf einem Helm, der aus einem fast meterlangen weißen Blechrohr bestand.
    Fehlanzeige siegte ebenso wie der Karpfen von Kappellsee, dessen Pferd bei der Ausrufung des Sieges einen Apfel zwischen den Vorderbeinen fallen ließ und im Walzerschritt abtrabte.
    Immer ausgelassener wurde die Stimmung. Selbst die Tribüne ächzte unter der Begeisterung der Ehrengäste. Immer wieder zog Jean mit einem Leiterwagen voller Limoflaschen über die Turnierbahn und mußte schon nach wenigen Metern umkehren, um nachzufüllen. Der Bürgermeister von Neustadt trank ebenso aus der Flasche wie der Rex, Ingenieur Blaustampfer und Frau Sedlatschek. Allein Fräulein Doktor Horn bekam von Mauersäge einen silbernen Ausziehbecher kredenzt.
    Beim letzten Waffengang zu Pferd gab es keinen Sieger. Ritter Cassata von Capri – vermutlich ein gewaltiger Eisesser - und Ritter Trutz von Blümchenfeld – vermutlich ein freches Huhn von Rosenfels – hoben einander gegenseitig aus dem Sattel. Schadenfroh wieherten ihre Pferde, dann trabten sie nebeneinander im Sambaschritt ab.
    „Für mich ist das Jerry!“ sagte Mücke, der zwischen den Waffengängen weitersammelte, über diesen Ritter von Capri, der sich gerade aufrappelte.
    „Seit wann kannst du durch Pappkarton sehen?“ fragte Emil, der als Vorderbeinpaar ausgedient hatte und sich freute, die Welt ohne Pappmachékopf zu sehen.
    „Seine Schuhe!“ antwortete Mücke. „Die hatte er neulich nachts auch an.“
    Isabella nickte zustimmend und deutete auf Ritter Trutz von Blümchenfeld. „Genau daran hab ich Beatrix erkannt.“
    Beide Ritter hatten ihre Lanzen und Schilde aufgehoben und begaben sich zum Durchgang. Sie waren ausgeschieden. An der nächsten Übung würden sie nicht mehr teilnehmen.
    Hier blieb die Waffe die gleiche – eine Lanze. Doch jetzt vorne spitz, ohne den Puffer. Diesmal ging es nicht darum, einen Gegner zu treffen, sondern darum, mit Schwung durch ein kleines Ringlein zu zielen. Den Schwung bekam der Ritter von einer Schaukel. Zehnmal wurde er von einem Herold angeschoben, und mußte versuchen, durch das Ringlein zu treffen. Je öfter, desto besser, denn am Schluß würde bei Gleichstand zwischen zwei Rittern die höhere Trefferzahl entscheiden.
    An zwei riesigen Buchen hinter dem Prinzengarten hingen die Schaukeln an langen Seilen. Etwa auf halber Höhe zwischen dem Ast, an dem die Seile befestigt waren, und dem Schaukelbrett befand sich, zwei Meter vor dem Endpunkt des Vorwärtsschwungs der Schaukel, an einem kleineren Ast ein Ring von fünfzehn Zentimetern Durchmesser.
    Gemächlich kam das Publikum vom Sportplatz herüber und genoß den Schatten unter den alten Bäumen.
    „…und die Idee zu dem Turnier kommt tatsächlich allein von Ihren Rittern?“ fragte der Neustädter Bürgermeister den Rex.
    Belustigt nickte Direktor Meyer. „Phantasie hat bei uns immer Vorfahrt.“
    „Und das Zeremoniell? Das ist doch…“
    Mit einer Handbewegung zu Mauersäge unterbrach ihn der Rex. „Da haben wir in unserem Burgherrn einen erstklassigen Kenner.“
    „Mir… ks… war das ein großes Plaisier!“ erklärte Mauersäge. „Kenntnisse in Heraldik sind… ks… selten gefragt. Natürlich haben wir das… ks… Zeremoniell vereinfacht und Herolde mit dem Schreckensteiner Wappen für… ks… alle genommen. Normalerweise hat jeder Ritter seine eigenen… ks… Herolde und Peservanten – das sind die Heroldsanwärter –, und sie alle tragen das… ks… den Tappert ihres Ritters. Genauso sind die Pferdedecken in den … ks… Farben…“
    Mit spitzem Ton fiel Fräulein Doktor Horn ein. „Die Pferde waren ungemein komisch, Graf.“
    Eugen, der hinter dem Rex ging, gab Walter einen Rempler: „Hör zu, du Roß! Die Horn lobt dich.“
    Walter wieherte. „Würfelzucker wär mir lieber!“
    Bei Udos rosa Mama klapperte Hans-Jürgen mit der Milchkanne. Sie machte eine Spende, die so großzügig war, daß sie überhaupt nicht klapperte.
    Unter Trompetengeschmetter trat Wappenkönig Ottokar vor. „Or oyez! Or oyez!“ rief er und erklärte, worauf es beim Ringelstechen ankommt. Die Herolde nannten die Namen der Ritter, halfen ihnen auf die Schaukel und schoben sie an. War die erforderliche Schaukelhöhe erreicht, zählten Richter-Herold Strehlau und Wappenkönig Ottokar zehnmal mit.
    Das Kriminalistenspiel, die von oben bis unten in Blech oder Pappe verpackten Ritter an ihren Schuhen zu erkennen, hatte die
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