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Ritter des dunklen Rufes

Titel: Ritter des dunklen Rufes
Autoren: David Gemmell
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einsamen Jahren erlitten hatte, seit sich das Tor geschlossen hatte. Sein Blick fiel auf die Panzerringe, die seinen Hals umschlossen, und er malte sich aus, wie sein Bart darunter wuchs – langsam – ganz langsam, um ihn allmählich zu ersticken.
    Welch ein Tod für einen Ritter der Gabala, eingeschlossen in seinen Helm, erwürgt von seinem eigenen Bart. Das war der Preis für Verrat, sagte Manannan sich. Das war die Strafe für Feigheit.
    Feigheit? Er dachte über das Wort nach. Während der letzten, einsamen Jahre zielloser Wanderschaft hatte er seinen körperlichen Mut wieder und wieder unter Beweis gestellt, im Schwertkampf, beim Angriff und bei dem langen Warten auf einen Angriff. Doch es war auch nicht sein Körper, der ihn in jener Nacht vor sechs Jahren im Stich gelassen hatte, als das Schwarze Tor sich drohend vor ihm öffnete und die Sterne erstarben. Es war eine ganz andere Feigheit, die ihm die Kraft geraubt hatte, sich zu bewegen.
    Nicht so die anderen. Aber Samildanach hätte auch mit einer Handvoll Schnee gegen alle Feuer der Hölle angekämpft. Und auch die anderen: Pateus, Edrin … sie alle.
    »Verdammt seiest du, Ollathair«, zischte der Einstige Ritter. »Verdammt sei dein Hochmut!«
    Manannan steckte den Spiegel wieder in den Beutel.
    Er ruhte sich noch eine Stunde aus und stieg dann wieder in den Sattel. Die Zitadelle lag noch drei Tagesritte westwärts. Er umging Städte und Siedlungen, kaufte sich seine Nahrung auf abgelegenen Bauernhöfen und schlief auf den Wiesen. Am Morgen des vierten Tages näherte er sich der Zitadelle.
    Manannan lenkte seinen Hengst durch die Bäume in das, was einst der Rosengarten gewesen war. Jetzt war er überwuchert, doch hier und da kämpfte noch eine einzelne Blüte gegen das erstickende Unkraut. Der gepflasterte Pfad war weitgehend von Gras und kleinen blauen Blumen überwachsen. Das war alles nur natürlich, dachte der Einstige Ritter.
    Sechs Jahre lang hatte der Wind Staub und Erde über die sorgfältig ausgelegten Steine geweht. Das Ausfalltor stand offen, und er ritt in den Hof hinein. Hier und dort hatte sich Gras in den Rissen des Pflasters angesiedelt, bewässert von dem Springbrunnen, der über die Marmorbrüstung floss.
    Er stieg ab, seine silberne Rüstung quietschte, seine Bewegungen waren langsam. Der Hengst blieb reglos stehen.
    »Anders als in deiner Erinnerung, Kuan«, flüsterte der Ritter, zog den Handschuh aus und klopfte den Hals des Pferdes. »Sie sind alle fort.« Er führte das Pferd an das Wasserbecken und wartete, während es trank. Ein hölzerner Laden in der Nähe wurde vom Wind erfasst und schlug gegen den Fensterrahmen. Das Pferd hob den Kopf, die Ohren spitz aufgerichtet.
    »Schon gut, mein Junge«, beruhigte Manannan es. »Hier droht keine Gefahr.«
    Während der Hengst trank, löste er den Sattelgurt und nahm das Bündel von seinem Rücken. Er warf es sich über die Schulter, stieg die Treppe zu den Doppeltüren empor und betrat die Empfangshalle. Hier hatte sich überall Staub gesammelt, und der große Teppich strömte einen Geruch nach Motten und Fäulnis aus. Die Statuen starrten ihn aus blicklosen Augen an.
    Er spürte, wie die Bürde seiner Schuld noch schwerer auf ihm lastete, und eilte an den Figuren vorbei zu der Kapelle an der Rückseite des Gebäudes. Die Angeln ächzten, als er die blattförmige Tür gewaltsam aufdrückte. Kein Staub störte an diesem Ort mit dem niedrigen Altar, doch die goldenen Kerzenhalter waren verschwunden – ebenso wie der silberne Kelch und die Seidenbehänge. Doch noch immer strahlte die Kapelle Frieden aus. Er legte sein Bündel nieder und löste die Lederriemen. Dann ging er zum Altar, nahm Wehrgehänge und Scheide ab, schnallte die Brustplatte los und schob sie unter die vorstehenden Schulterstücke. Sorgfältig legte er die Rüstung auf den Altar. Schulterstücke und Panzerhemd folgten. Das ärmellose Kettenhemd würde er vermissen, es hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet. Hüftschutz, Oberschenkel- und Beinschienen legte er auf den Stein, auf die Brustplatte kamen die schwarzsilbernen Handschuhe.
    »Lass es vorbei sein«, sagte er und griff nach seinem Helm, doch seine Finger erstarrten, als die Furcht ihn übermannte. In diesem Raum hatte Ollathair vor sechs Jahren den Bann verhängt – aber würde der Frieden dieses Ortes ohne den Zauberer ausreichen, ihn wieder von ihm zu nehmen? Manannan beruhigte sich mühsam wieder. Seine Finger berührten das Federschloß, doch der
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