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Ritter des dunklen Rufes

Titel: Ritter des dunklen Rufes
Autoren: David Gemmell
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wahrnehmen, doch dann fuhr der goldene Kopf herum, dass die Plättchen knirschten. Langsam breitete der Falke die Flügel aus und erhob sich von der Bank, flog aus dem offenen Fenster hinaus auf der Suche nach dem Himmel. Der Mann und der Knabe liefen hinaus auf den Berghang, um zuzusehen, wie der goldene Vogel höher und höher stieg. Plötzlich schwankte er, und Lug sah, wie eine bronzene Feder herabschwebte, dann noch eine ‹.. und noch eine. Der Flug war jetzt unsicher.
    »Nein!« schrie Lug, hob eine schlanke Hand und deutete auf den sich abmühenden Vogel. Ruad beobachtete voll Erstaunen, wie zwei zarte Bronzefedern, die der Vogel verloren hatte, ihren Fall umkehrten und sich wieder an die Flügel hefteten. Für einige Sekunden wurde der Flug des Falken wieder gleichmäßiger. Dann klappten die Flügel zusammen, und er fiel zu Boden, leblos, zerstört. Lug rannte zu ihm, sammelte die Federn ein und barg den verbogenen Körper in den Händen.
    Ruad Ro-fhessa kam schweigend hinzu und legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. »Sei nicht zu traurig darüber, Lug. Mein erster Vogel schaffte es nicht einmal bis zum Fenster. Es war schon ein großer Erfolg.«

 
    Lug sah, wie eine bronzene Feder herabschwebte, dann noch eine … und noch eine.

 »Aber ich wollte, dass er lebt«, protestierte Lug.
    »Ich weiß. Und er hat gelebt, er hat den Himmel gefunden. Beim nächsten Mal werden wir die Gelenke am Hals gründlicher prüfen.«
    »Beim nächsten Mal?« wiederholte Lug traurig. »Nächste Woche erreiche ich die Mündigkeit. Für mich gibt es im Haus keinen Platz, man wird mich verkaufen.«
    »Das ist nächste Woche. Viele Dinge können bis dahin geschehen«, sagte Ruad. »Bring den Vogel wieder in die Schmiede, damit wir sehen können, was zu retten ist.«
    »Ich glaube, ich werde weglaufen. Ich schließe mich Llaw Gyffes an.«
    »Starkhand ist wahrscheinlich ein Mann, dem man leicht folgen kann, aber darüber sprechen wir ein andermal. Vertrau mir, Lug. Und jetzt wollen wir uns den Vogel ansehen.«
    Ruad beobachtete, wie der Knabe über den Hügel ging und Metallstücke aufsammelte. Die Federn waren abgefallen -und hatten dann ihren Flug umgekehrt – wenn auch nur für wenige Sekunden. Und doch hatte Lug nur das Gelb erreicht, die geringste der Farben.
    Wieder in der Werkstatt, ließen sie die Bronzestücke erst einmal liegen und setzten sich ans Feuer. Lug war still und bekümmert.
    »Sag mir«, fragte Ruad sanft, »was hast du empfunden, als du zum Himmel hinaufgerufen hast?«
    Der Knabe blickte auf. »Verzweiflung«, antwortete er schlicht.
    »Nein, ich meine genau in dem Moment, als du geschrieen hast.«
    Lug zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was du meinst, Herr. Ich wollte … dass er fliegt.«
    »Hast du gemerkt, was geschah, als du ihn angerufen hast?«
    »Nein. Er fiel.«
    »Nicht sofort«, widersprach Ruad. »Er hat versucht, sich wieder zusammenzusetzen, in gewisser Weise war er noch immer mit dir verbunden. Aber du hast gesagt, du hättest nichts gespürt. Welche Farbe hast du gespürt? Das Blau?«
    Lug versuchte, sich zu erinnern. »Nein, es war das Gelb. Die anderen Farben kann ich nur durch dich erreichen, Meister.«
    »Egal, Lug. Ich werde darüber nachdenken. Es ist fast Zeit für dich zu gehen. Deine freie Zeit endet mit der Dämmerung, nicht wahr?«
    »Ich habe noch ein bisschen Zeit«, antwortete der Junge. »Marshin sagt, die Familie kommt nicht vor morgen aus Furbolg zurück. Sie bringen Gäste für die Auktion mit.«
    »Vielleicht ist es nicht so schlimm, wie du glaubst«, meinte Ruad. »Es gibt viele gute Häuser. Vielleicht braucht die Dame Dianu einen Hausdiener – oder Graf Errin. Beide sind dafür bekannt, dass sie Sklaven gut behandeln.«
    »Warum sollte ich wohl ein Sklave sein?« fuhr Lug ihn an. »Warum? Das Reich besteht nicht mehr. Das ganze Land wird jetzt von Leuten beherrscht, die früher selbst Sklaven waren. Warum sollte gerade ich übrig bleiben? Das ist nicht gerecht.«
    »Das Leben neigt nun einmal dazu, ungerecht zu sein, Lug. Der fomorische Krieg war der letzte, und du bist eines seiner Opfer. Aber du wirst Gelegenheit haben, dir deine Freiheit zu erkaufen; so übel ist das Leben nicht.«
    »Warst du jemals Sklave, Herr?«
    »Nur meines Berufs«, gab Ruad zu. »Aber das zählt nicht, nicht wahr? Du wurdest vor … fünf Jahren geraubt? Wie alt warst du damals? Zehn? Elf? So ist es nun einmal, Lug. Kriege kosten Geld, und das wird durch Plünderei und
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