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Riskante Nächte

Riskante Nächte

Titel: Riskante Nächte
Autoren: Amanda Quick
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worden. Ihr blieb keine andere Wahl, als von der Bildfläche zu verschwinden, und sie konnte nur eine Handvoll persönlicher Habseligkeiten, die Tageseinnahmen und die beiden wertvollen Bücher mitnehmen.
    Sie musste untertauchen, das stand außer Frage, doch sie musste sicherstellen, dass niemand nach ihr suchen würde. Die verzweifelte Eingebung kam ihr schließlich, als ihr eine Meldung einfiel, die sie einige Tage zuvor in der Zeitung gelesen hatte.
     
    … Zum zweiten Mal in weniger als einer Woche betrauert die gehobene Gesellschaft den schockierenden Verlust einer hochgestellten Lady. Die Themse hat ein weiteres tragisches Opfer gefordert.
    Mrs. Victoria Hastings hat sich, vermutlich heimgesucht von einem ihrer wiederkehrenden Schwermutsanfälle, von einer Brücke in die eisigen, unerbittlichen Fluten der Themse gestürzt. Die Leiche wurde bislang noch nicht geborgen. Die Polizei geht davon aus, dass sie entweder ins Meer gespült wurde oder sich unter Wasser in Wrackgut verfangen hat. Ihr ergebener Gatte, Elwin Hastings, ist von Gram gebrochen.
    Unsere geneigten Leser werden sich erinnern, dass vor einer knappen Woche Miss Fiona Risby, die Verlobte von Mr. Anthony Stalbridge, ebenfalls ins Wasser ging. Ihre Leiche wurde jedoch geborgen …
     
    Zwei Ladys aus der feinen Gesellschaft hatten sich binnen einer Woche in den Fluss gestürzt. Und auch verzweifelte Frauen aus weit weniger erhabenen Kreisen wählten immer wieder diesen Weg. Es würde niemanden wundern, wenn eine unbedeutende Buchhändlerin in gleicher Weise Selbstmord beging.
    Sie schrieb mit zitternder Hand ihren Abschiedsbrief und rang damit, die richtigen Worte, überzeugende Worte zu finden.
     
    … Ich bin verzweifelt. Ich kann nicht mit dem Wissen leben, was ich heute Nacht getan habe, und ebenso wenig kann ich den Gedanken an eine Zukunft ertragen, in der mich nur die öffentliche Demütigung eines Prozesses und die Schlinge des Henkers erwarten. Lieber überantworte ich mich dem ewigen Vergessen des Flusses …
     
    Sie unterschrieb die Zeilen mit ihrem Namen, legte den Abschiedsbrief auf den kleinen Tisch, an dem sie ihre einsamen Mahlzeiten einnahm, und stellte zur Sicherheit eine kleine Büste von Shakespeare auf das Blatt. Es sollte nicht angehen, dass der Brief auf den Boden geweht und möglicherweise von der Polizei übersehen wurde.
    Sie zog ihren Mantel an und schaute sich ein letztes Mal im Zimmer um. Sie hatte sich hier wohlgefühlt. Zugegeben, die Einsamkeit war gelegentlich schwer zu ertragen, besonders abends und nachts, doch daran gewöhnte man sich. Sie hatte überlegt, sich einen Hund zuzulegen, der ihr Gesellschaft leistete.
    Sie drehte sich um und griff nach dem schweren Koffer. Abermals zauderte sie. An den Haken an der Wand hingen zwei Hüte: Ein Sommerkäppchen und ein breitkrempiger Wagenradhut mit Feder, den sie bei Spaziergängen trug. Ihr ging durch den Sinn, dass es sehr nützlich – sehr überzeugend – sein könnte, wenn der federgeschmückte Hut in der Nähe einer Brücke am Uferrand entdeckt werden würde. Sie nahm den Hut und setzte ihn sich achtlos auf.
    Ihr Blick wanderte zu dem Vorhang, der das Schlafzimmer abteilte. Bei dem Gedanken, was sich dahinter verbarg, lief es ihr kalt den Rücken hinunter.
    Sie eilte mit dem Koffer nach unten ins Hinterzimmer des Ladens. Dort öffnete sie die Haustür und trat hinaus in die dunkle Gasse. Es war nicht nötig, sich mit dem Schlüssel abzumühen. Das Schloss war vor einer knappen Stunde aufgebrochen worden, als der Eindringling sich gewaltsam Zutritt zum Haus verschafft hatte.
    Sie huschte die pechschwarze Gasse hinter der Ladenzeile entlang und ließ sich dabei ganz von ihrer guten Ortskenntnis leiten.
    Mit etwas Glück würde es einige Tage dauern, bis sich jemand darüber wunderte, dass die Barclay’sche Buchhandlung schon längere Zeit nicht mehr geöffnet hatte. Doch früher oder später würde jemand – höchstwahrscheinlich ihr Vermieter – aufmerksam werden. Mr. Jenkins würde kommen und an die Tür klopfen. Schließlich würde er ärgerlich einen der Schlüssel von dem Bund nehmen, den er immer bei sich trug, und den Laden aufschließen, um die Miete zu verlangen.
    Das war der Moment, in dem die Leiche im Zimmer oben entdeckt werden würde. Kurz darauf würde die Polizei die Suche nach der Frau beginnen, die Lord Gavin ermordet hatte, einen der wohlhabendsten, angesehensten Gentlemen der gehobenen Gesellschaft. Sie flüchtete in die Nacht.

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