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Riskante Nächte

Riskante Nächte

Titel: Riskante Nächte
Autoren: Amanda Quick
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Jahr und zwei Monate später …
    Die geheimnisvolle Witwe war verschwunden.
    Anthony Stalbridge pirschte den dunklen Flur entlang und hielt nach einem verräterischen Lichtschimmer unter einer der Türen Ausschau. Alle Zimmer schienen leer zu sein, doch er wusste, dass sie irgendwo in der Nähe sein musste. Wenige Minuten zuvor hatte er einen flüchtigen Blick auf sie erhascht, als sie die Dienstbotentreppe hinaufgeschlichen war.
    Er hatte ihr etwas Vorsprung gelassen, bevor er ihr die schmale Stiege hinauf gefolgt war. Doch als er die Etage mit den Privatgemächern erreichte, war Mrs. Bryce nirgends zu entdecken gewesen.
    Aus dem Ballsaal schollen die gedämpfte Melodie eines Walzers und das dumpfe Stimmengewirr champagnerfreudiger Unterhaltung herauf. Das Erdgeschoss des Hastings’schen Herrenhauses war strahlend hell erleuchtet und gefüllt mit elegant gekleideten Gästen, aber hier oben gab es nur den fahlen Lichtschein vereinzelter Wandleuchten und eine unheilvolle Stille.
    Es war ein großes Haus, doch Elwin Hastings, seine sehr neue, sehr reiche, sehr junge Gattin und das Personal waren seine einzigen Bewohner. Die Bediensteten schliefen unten im Dienstbotenflügel. Das bedeutete, dass die meisten Schlafzimmer in diesem Stock unbenutzt waren.
    Leerstehende Schlafzimmer lockten bei einem rauschenden Fest gelegentlich Gäste auf der Suche nach einem Plätzchen für ein intimes Tête-à-tête an. War Mrs. Bryce heraufgekommen, um sich mit einem Mann zu treffen? Aus irgendeinem unerklärlichen Grund missfiel ihm dieser Gedanke. Nicht, dass er irgendeinen Anspruch auf sie erheben könnte. Sie hatten bei verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen der vergangenen Woche das eine oder andere Mal miteinander getanzt und verhaltene, quälend bemühte Konversation betrieben. Das war auch schon das gesamte Ausmaß ihrer Verbindung. Doch seine Intuition – ganz zu schweigen von jedem männlichen Instinkt, den er besaß – warnte ihn, dass sie tatsächlich ein waghalsiges Duell ausfochten. Es war ein Duell, das er nicht zu verlieren beabsichtigte.
    Seit ihrer ersten Begegnung hatte Louisa Bryce sich alle Mühe gegeben, seine Avancen abzuwehren, zumindest verbal. Das war natürlich nicht ganz unerwartet, angesichts des alten Skandals, der noch immer mit seinem Namen verknüpft war. Was ihn jedoch neugierig machte, war die Tatsache, dass sie auf jedem Fest, dem sie beiwohnte, alles in ihrer Macht Stehende tat, um jeden anwesenden Mann zu vergraulen.
    Er war ein Mann von Welt. Er wusste, dass es Frauen gab, die sich nicht zu Männern hingezogen fühlten, doch bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen er Louisa auf die Tanzfläche und in seine Arme hatte locken können, war er überzeugt gewesen, dass sie sich der Sinnlichkeit seiner körperlichen Nähe ebenso bewusst war wie er sich ihrer. Walzer waren wie geschaffen dazu, so etwas festzustellen. Andererseits machte er sich vielleicht aus dem ältesten Grund der Welt etwas vor: Er begehrte sie.
    Sie konnte kaum ahnen, dass es gerade ihre gelehrte, goldgefasste Brille, die geschmacklosen Kleider und die ernsten, unbeschreiblich öden Unterhaltungen waren, die sein Feuer entfacht hatten. Die gewissenhafte, langweilige Fassade war so offensichtlich aufgesetzt. Er musste allerdings einräumen, dass sie beim Rest der feinen Gesellschaft die gewünschte Wirkung nicht verfehlte. Mrs. Bryces Name wurde nie im gleichen Atemzug mit dem irgendeines Gentleman genannt. Er hatte sich die Mühe gemacht, Erkundigungen einzuholen – diskret selbstverständlich. Soweit er es feststellen konnte, hatte Louisa keine intime Liaison mit irgendeinem Mann.
    Die Lady war ihm zweifellos ein Rätsel, und eines der rätselhaftesten Dinge an ihr war ihr heimliches Interesse an ihrem heutigen Gastgeber, Elwin Hastings, und den Gentlemen, die Hastings’ jüngst gegründetem Finanzkonsortium angehörten.
    Am anderen Ende des Flurs ging eine Tür auf. Er drückte sich in die tiefen Schatten einer kleinen Nische und wartete.
    Louisa trat aus dem Zimmer. Er konnte im Schummerlicht ihre Züge nicht klar sehen, doch er erkannte das triste rotbraune Kleid mit der unmodisch kleinen Tournüre. Ebenso erkannte er das stolz hochgereckte Kinn und die anmutig geschwungenen Schultern.
    Ungeachtet der gewagten Situation, oder gerade deswegen, spürte er die Anspannung brennender Begierde in seinen Lenden. Er beobachtete Louisa, während sie in der Dunkelheit auf ihn zukam, und erinnerte sich daran, wie sie in seinen
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