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Riskante Liebe

Riskante Liebe

Titel: Riskante Liebe
Autoren: Cara Enders
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Alleinsein im Wald und die erholsame Stille dort. Stille war nicht der richtige Ausdruck, der Wald hat te seine ganz eigenen Geräusche: Eine große Bandbreite an Tierstimmen, von einem zarten Fiepen der Kleintiere, den beinahe menschlich wirkenden Schreien der Wildkatzen bis hin zum furchteinflößenden nächtlichen Geheul der Wölfe sowie das morgendliche Vogelgezwitscher. Dazu kam das Rauschen der Blätter, wenn der Wind durch sie hindurch blies, das Plätschern des Flusses, knackende Äste, und wenn es regnete, das sanfte Pladdern der Tropfen auf den Blättern der Bäume, Sträucher und Bodengewächse.
    I m Gegensatz zu unserem betriebsamen, geschäftigen Dorfleben herrschte im Wald ein wunderbarer, erholsamer Friede. Keine sich zankenden, keifenden Frauen störten die Ruhe, und auch das abendliche Heulen der Wölfe war mir tausendmal lieber als Serattas laute harte Stimme, mit der sie ständig Befehle bellte oder ihr hämisches Lachen ausstieß. Sie war zwar unsere Anführerin, die Frau, der wir anderen uns alle bedingungslos unterordnen mussten, aber je mehr Sommer ich erlebte, umso weniger konnte ich sie leiden. Sobald ich nur ihre Stimme vernahm oder noch schlimmer, ihr gegenüberstehen musste und sie mich mit eindringlichem Blick musterte, breitete sich ein unangenehm bohrendes Gefühl in meinem Innersten aus. Es gelang mir jedoch, dies sorgfältig vor ihr zu verbergen.
    Als eine der wenigen unserer Gemeinschaft war ich noch nie ihrem Zorn zum Opfer gefallen. Sie war immer sehr freundlich zu mir, worum mich viele insgeheim beneideten. Mir trieb diese Freundlichkeit eher Schauder über den Rücken. Sie kam nicht von Herzen, sondern war von der berechnenden Sorte, ich spürte dies genau. Ich war die beste Jägerin des Dorfes, diejenige, die am meisten Fleisch herbeischaffte und hatte aus diesem Grund sehr viel mehr Freiheiten als die anderen, die unser Dorf nur mit ausdrücklicher Genehmigung und nur tagsüber verlassen durften. In gewisser Weise war die herrschsüchtige Seratta von mir und meinem Können abhängig, genauso wie es sich bei Jolaria verhielt. Ich war mir jedoch sicher: Würden wir aus irgendeinem Grund unsere Pflichten nicht mehr erfüllen können, wären wir nutzlos und würden bei unserer Anführerin sofort in Ungnade fallen …
    Obwohl ich eigentlich von Jolaria dazu auserkoren worden war, von ihr die Körper- und Kräuterheilkunde zu lernen und mich darin auch nicht dumm anstellte, hatte sie auf unseren gemeinsamen Streifzügen durch den Wald entdeckt, dass ich ein Naturtalent im Aufspüren von Fährten und Kleintieren war und darüber hinaus, wegen meiner langen Beine, sehr schnell und ausdauernd laufen konnte. Mein erstes Kaninchen hatte ich – eher zufällig – durch einen Schuss mit einem rasch geworfenen Stein getötet. Ich wusste, dass gebratenes Kaninchenfleisch sehr gut schmeckte, aber bei uns selten auf dem Speiseplan stand. Wir ernährten uns überwiegend von Wurzeln, Beeren und Kräutern, wurden davon aber nie satt. Das ständig nagende Gefühl in meinem Bauch und die Aussicht, den Magen wieder einmal richtig voll zu bekommen, brachten mich dazu, das Tier ganz spontan zu erlegen.
    Seratta und ihre Wächterinnen hatten anfangs versucht, im Wald zu jagen. Durch ihre Ungeduld und ihre Unfähigkeit, Spuren zu lesen, sich lautlos anzuschleichen und mit Waffen wie der Schleuder oder dem Bogen umgehen zu können, waren sie, was Fleisch- und Fellbeschaffung anging, erfolglos geblieben. Ihre Speere dienten nur dazu, die Männer in Schach zu halten und anderen damit Angst einzujagen. Allerdings war diese Angst berechtigt, denn bei den Menschenjagden brachten ihre Speerstiche letztendlich immer den Tod für den Gejagten.
    D a es unter uns Frauen nur wenige gute Jägerinnen gab, die das notwendige Fleisch und Tierfelle herbeischaffen konnten, hatte Jolaria nach Absprache mit Seratta dafür gesorgt, dass mich Arelea, unsere beste Jägerin, ausbildete. Sie zeigte mir, wie man eine Steinschleuder handhabte, einen brauchbaren Bogen und Pfeile anfertigte, Tiere aufspürte, jagte, tötete und ausnahm. Ich durfte aber bei Jolaria wohnen bleiben, um auch von ihr noch weiter in Kräuterkunde ausgebildet zu werden und konnte ihr von meinen Streifzügen oftmals Pflanzen, die sie benötigte und mir genau beschrieb, mitbringen.
     
    Zwei Sommer später hatte Arelea unserer Anführerin erklärt, sie könne mir nun nichts mehr beibringen, ich sei eine vollwertige, geschickte Jägerin geworden. Seratta
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