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Riskante Liebe

Riskante Liebe

Titel: Riskante Liebe
Autoren: Cara Enders
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solche zur Verfügung stellen. Ich ließ das Fell wieder vor den Eingang fallen und wandte mich an Jolaria, die am Feuer hantierte und keine Anstalten gemacht hatte, zu fragen, was los gewesen war.
    »Tarisa wollte das Kleine nicht hergeben, obwohl sie genau weiß, dass es keine Milch mehr trinkt und ins Kinderhaus muss. Jetzt heult sie draußen.«
Jolaria murmelte irgendetwas vor sich hin. Sie wirkte, obwohl ihr Gesicht unbewegt blieb, irgendwie aufgewühlt, ich sah es an ihren fahrigen Bewegungen, mit denen sie den Boden vor der Feuerstelle mit einem Bündel Äste fegte. Ich dachte, sie habe mich nicht gehört und versuchte es noch einmal:
    »Jolaria? Ich versteh e Tarisa nicht. Warum regt sie sich auf? Jetzt hat sie endlich wieder Zeit für sich und kann nachts in Ruhe schlafen.«
Meine Hüttengenossin hielt mit dem Fegen inne und sah mich ernst an.
    »Tarisas Kummer können nur Frauen nachvollziehen, die selbst ein Kind in sich wachsen gespürt, es unter Schmerzen geboren und sich darum gekümmert haben. Was ich dir jetzt sage, bleibt unter uns, hörst du? Seratta würde mich dafür steinigen lassen.«
Ich nickte. Jolaria hatte mir gegenüber schon öfter Dinge ausgesprochen, die im genauen Gegensatz zu den Regeln und Meinungen standen, die unsere Anführerin aufstellte und vertrat. Da ich Jolaria sehr mochte, würde ich sie nie verraten. Aber auch die Zuneigung und gegenseitige Achtung, die wir füreinander empfanden, so hatte sie mir schon lange eingeschärft, durften wir in der Öffentlichkeit niemals zeigen. Vor den anderen gaben wir uns mürrisch, wortkarg und gleichgültig. So, als ob es uns beiden lästig wäre, zusammen wohnen zu müssen. Jolaria holte tief Luft und legte eine Hand auf ihre linke Brust.
    »Diese Kinder sind ein Teil ihrer Gebärerinnen. Es schmerzt hier drinnen ungeheuer, wenn sie einem so früh weggenommen werden und man sie nur noch von weitem sehen darf. Man möchte sie, bis sie groß sind, weiter beschützen, nähren, ihnen beibringen, wie sie überleben können, hofft, dass es ihnen gut geht und vermisst sie Tag und Nacht. Man gewöhnt sich an den Schmerz, aber die Wunde schließt sich niemals ganz. Deshalb wollen die meisten, die es einmal durchgemacht haben, nie wieder befruchtet werden und versuchen, das Kind, das sie geboren haben, aus ihrem Gedächtnis zu verdrängen. Aber sie alle wissen genau, wen sie auf die Welt gebracht haben. Allerdings ist es strikt verboten, Kontakt zu den Kindern aufzunehmen, sobald sie im Kinderhaus leben.«
Aufmerksam sah ich sie an. Ihr ebenmäßiges, trotz ihres Alters beinahe faltenfreies Gesicht verzog sich qualvoll und in ihren großen braunen Augen spiegelte sich unendlicher Schmerz.
    »Jolaria? Du hast das selbst erlebt, nicht wahr? Du warst auch eine Säugerin. Wen von uns hast du geboren?«
Ich hätte gerne gehört, dass ich in ihrem Bauch herangewachsen war. Aber das war unmöglich, denn Seratta und ihre Wächterinnen sorgten dafür, dass Kinder, wenn sie das lernfähige Alter erreicht hatten, niemals zu ihren Säugerinnen in die Ausbildung kamen.
Obwohl ich darauf brannte, endlich in den Wald zu kommen, war ich neugierig geworden. Aber Jolaria schüttelte nur den Kopf, zum Zeichen dafür, dass sie keine weiteren Worte darüber verlieren wollte und streckte mir die mit Blättern umwickelte Schale mit dem fest gewordenen Gemisch aus Fett und Getreide entgegen.
    »Vergiss das nicht und sieh zu, dass du bei Sonnenuntergang zurück bist.«
    Diese Regel kam ebenfalls von Seratta. Wir durften das Dorf verlassen, um Wasser zu holen, Pflanzennahrung wie Beeren, Wurzeln und Nüsse zu sammeln oder – wie ich und einige wenige andere – Tiere zu jagen. Es war, wegen der Fluchtgefahr und den mitgeführten Waffen, ohnehin nur den Frauen erlaubt, in den Wald auf die Jagd zu gehen. Aber nachts mussten wir alle wieder zurückkehren. Seratta hatte erklärt, das sei eine Schutzmaßnahme, da wir uns allein oder zu zweit in den Wäldern verirren, uns verletzen oder von wilden Tieren gefressen werden könnten. Da aber zumindest ich ein gutes Orientierungsvermögen besaß und mich in der Wildnis hervorragend zurechtfand, empfand ich diese Pflicht als lästige Bevormundung. Ich war im Wald mehr zuhause als im Dorf, verspürte keinerlei Angst, allein zu sein, erkannte am Stand der Sonne die Zeit und nahm mich vor den gefährlichen Tieren in Acht.
    Ich freute mich auf meinen Jagdausflug. Obwohl ich sehr gerne mit Jolaria zusammen war, genoss ich das
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