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Riptide - Mörderische Flut

Riptide - Mörderische Flut

Titel: Riptide - Mörderische Flut
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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der sogar das Geräusch des Motors gedämpft klang. Unwillkürlich verlangsamte Johnny die Fahrt. Nach ein paar Sekunden hatten sie den dicksten Dunst hinter sich gelassen, und Malin konnte die gefährlichen, mit Seetang behangenen Riffe von Ragged Island erkennen, die in dem weichen Licht viel harmloser aussahen, als sie es in Wirklichkeit waren. Die Jungen steuerten ihr Boot durch einen schmalen Kanal zwischen den Riffen, und als sich der unmittelbar über dem Wasserspiegel liegende Dunst etwas hob, konnte Malin die grünlichen Zacken scharfkantiger Unterwasserfelsen ausmachen, an denen in langen Fäden Seegras hing. Diese Felsen waren bei den Hummerfischern gefürchtet, denn besonders bei Ebbe und dichtem Nebel stellten sie eine große Gefahr für ihre Schiffe dar. Jetzt aber herrschte Flut, und das kleine Motorboot glitt mühelos darüber hinweg. Nach einem kurzen Streit, wer aus dem Boot steigen und sich die Füße naß machen sollte, erreichten die beiden Brüder einen langen Kiesstrand. Es war Malin, der mit der Vorleine in der Hand aus dem Boot springen und es an den Strand ziehen mußte. Er spürte, wie ihm das Wasser in seine Turnschuhe lief.
    Johnny stieg trockenen Fußes aus dem Boot. »Ganz hübsch hier«, meinte er ohne große Begeisterung, während er seinen Schulranzen schulterte und ins Landesinnere schaute.
    Knapp oberhalb des Strandes wuchsen Riedgras und Vogelkirschenbüsche. Die Landschaft wurde durch die dünne Nebeldecke, die jetzt dicht über den Köpfen der beiden Jungen hing, in ein unheimliches silbriges Licht getaucht. Ein riesiger, drei Meter hoher eiserner Dampfkessel erhob sich rostrot direkt neben ihnen aus dem Gras. Seine mit schweren Nieten besetzte Außenhaut war an einer Stelle aufgeplatzt, so daß sich das zerfetzte Eisen wie unregelmäßig gezackte Blütenblätter nach außen wölbte. Die obere Hälfte des Kessels verschwand im Dunst.
    »Der ist wohl explodiert«, sagte Johnny.
    »Und dabei ist bestimmt einer ums Leben gekommen«, fügte Malin genüßlich an.
    »Zwei, mindestens.«
    An der seeseitigen Spitze der Insel endete der Kiesstrand an einer Reihe von glattgeschliffenen Granitfelsen, die von den Fischern die »Walbuckel« genannt wurden. Malin kletterte auf den ersten hinauf und versuchte, über die Klippen ins Inland der Insel zu blicken.
    »Komm sofort wieder runter!« schrie Johnny. »Was glaubst du denn, daß du bei dem Nebel sehen kannst? Idiot!«
    »Selber Idiot«, brummte. Malin, während er sich von dem Felsen herabließ und für seine Frechheit eine brüderliche Kopfnuß in Empfang nahm.
    »Bleib hinter mir«, sagte Johnny. »Wir laufen einmal rund um die Insel, und dann fahren wir wieder nach Hause.«
    Johnny begann, raschen Schrittes am unteren Rand der Klippen entlangzugehen. Malin stapfte ihm schmollend hinterher und betrachtete die sonnengebräunten Beine seines Bruders, die in dem trüben Licht so braun wie Schokolade wirkten. Die Fahrt zur Insel war seine Idee gewesen, aber Johnny mußte ja immer den Anführer spielen.
    »Hey!« rief Johnny plötzlich. »Sieh dir das mal an!« Er beugte sich nach unten und hob etwas Längliches, Weißes auf. »Das ist ein Knochen.«
    »Nein, wohl kaum«, entgegnete Malin, der immer noch sauer war. Er hatte die Idee mit der Insel gehabt, also hätte auch er den Knochen finden müssen.
    »Ist es doch. Und ich wette, daß es ein Menschenknochen ist.« Johnny schwang das Ding wie einen Baseball-Schläger hin und her. »Das ist der Oberschenkelknochen eines Mannes, der auf der Suche nach dem Schatz getötet wurde. Oder von einem Piraten. Ich werde ihn mitnehmen und unter meinem Bett verstecken.«
    Malins Neugier war stärker als sein Ärger. »Laß mal sehen«, bat er.
    Johnny reichte ihm den Knochen. Er fühlte sich unerwartet schwer und kalt an und roch widerlich.
    »Pfui Teufel«, sagte Malin und gab ihn Johnny rasch zurück.
    »Vielleicht liegt ja auch irgendwo noch der Schädel«, meinte Johnny.
    Sie stocherten eine Weile zwischen den Felsen herum, fanden aber nur einen toten Hundshai, der sie aus glasigen Augen anstarrte. Als sie die Landspitze umrandet hatten, kam das Wrack eines Leichters in Sicht, das wohl von einer längst vergessenen Schatzsuche übriggeblieben war. Es lag an der Hochwasserlinie in den Felsen, wo es die Stürme vieler Jahrzehnte immer weiter zerschlagen hatten.
    »Sieh mal«, sagte Johnny, dessen Stimme vor lauter Aufgeregtheit viel höher klang als sonst. Er krabbelte auf das verbogene, eingebeulte
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