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Riptide - Mörderische Flut

Riptide - Mörderische Flut

Titel: Riptide - Mörderische Flut
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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am Ufer«, sagte er mit absichtlich ruppiger Stimme. Es klang so, als wolle er Malin zeigen, daß sich durch eine gute Idee seinerseits nichts an der Machtverteilung zwischen ihnen beiden verändert hatte. »Hast du mich verstanden?«
    Malin nickte und hielt das Boot fest, während Johnny seinen Schulranzen und die Schwimmwesten hineinwarf. Er fragte sich, weshalb sie nicht schon viel früher auf die Idee gekommen waren. Keiner der beiden Brüder war jemals auf Ragged Island gewesen, ebensowenig wie die Jungs, die Malin in Stormhaven kannte. Er und Johnny würden ihren Freunden eine tolle Geschichte zu erzählen haben.
    »Du setzt dich an den Bug«, sagte Johnny. »Und ich steuere das Boot.«
    Malin sah, wie Johnny mit einem Gummiball Benzin ansaugte, den Choke betätigte und schließlich am Startseil zog. Der Motor hustete kurz und starb wieder ab. Johnny zog ein zweites und ein drittes Mal. Ragged Island lag zwar sechs Meilen vor der Küste, aber Malin meinte, daß sie bei dieser ruhigen See nicht länger als eine halbe Stunde für die Strecke brauchen würden. Es war kurz vor dem höchsten Stand der Flut, an dem die sonst rings um die Insel herrschenden starken Strömungen sich gegenseitig aufhoben, bevor sie ihre Richtung änderten.
    Johnny war von dem Geziehe am Startseil schon ganz rot im Gesicht und machte eine kurze Verschnaufpause, bevor er es erneut versuchte. Diesmal sprang der Motor an. »Ablegen!« rief Johnny, und sobald Malin die Leine gelöst hatte, gab er Vollgas. Der kleine, blechern klingende Achtzehn-PS-Motor heulte angestrengt auf, und Johnny steuerte das Boot an Breed's Point vorbei hinaus in die Bucht. Malin genoß den Fahrtwind und das Salzwasser, das ihm ins Gesicht spritzte.
    Mit einer schäumenden Kielwelle schoß das Boot über die stille See. In der vergangenen Woche hatte es einen schweren Sturm gegeben, aber jetzt war das Meer so klar und glatt wie Glas. Old Hump, ein niedriger, von Möwenkot weiß gestreifter Granitfelsen mit Seegras an den Rändern, tauchte an der Steuerbordseite des Boots auf. Als die Möwen, die auf einem Bein auf dem Felsen standen und dösten, das Brummen des Außenborders hörten, hoben sie die Köpfe und blickten dem Boot mit ihren hellen, gelben Augen hinterher. Nur ein einzelnes Paar erhob sich in die Luft und stieß, als es an den beiden Jungen vorbeiflog, heisere, verloren klingende Schreie aus.
    »Das war eine tolle Idee«, sagte Malin.
    »Oder etwa nicht, Johnny?« »Kann schon sein«, brummte Johnny. »Aber wenn wir erwischt werden, dann war das deine ldee.«
    Obwohl Ragged Island ihrem Vater gehörte, war den beiden Jungen ein Besuch auf der Insel strengstens verboten. Das war so, seit Malin denken konnte. Ihr Dad haßte die Insel so sehr, daß er nicht einmal von ihr sprach. In der Schule erzählte man, daß die Insel verflucht sei und daß unzählige Schatzsucher dort ums Leben gekommen seien. Manche meinten sogar, Ragged Island werde von Gespenstern bewohnt. Im Laufe der Jahrhunderte hatte man dort so viele Schächte und Stollen gegraben, daß ihr Boden morsch und brüchig war und nur darauf wartete, einen unvorsichtigen Besucher zu verschlingen. Malin hatte auch vom »Stein des Verderbens« gehört, den man vor vielen Jahren in der Grube gefunden hatte und der jetzt angeblich im Keller der Kirche von Stormhaven verwahrt wurde. Man sagte, der Teufel selbst habe ihn angefertigt, und Johnny hatte Malin einmal erzählt, daß Kinder, die sich in der Sonntagsschule wirklich schlecht benahmen, zur Strafe in die Krypta mit dem Stein gesperrt würden. Malin spürte, wie ihm ein wohliges Gruseln durch den ganzen Körper lief.
    Die Insel, die jetzt direkt vor ihnen lag, hatte sich inzwischen wieder in den hartnäckigen Dunstschleier gehüllt, der sie die meiste Zeit umgab. Im Winter oder an Regentagen verwandelte sich dieser Dunst in einen Nebel, der so dick wie Erbsensuppe war, aber jetzt, an einem klaren Sommertag wie diesem, glich er eher dünner, durchscheinender Zuckerwatte. Johnny hatte Malin zu erklären versucht, daß für den Dunst eine örtlich auftretende Riptide verantwortlich sei, das Zusammentreffen zweier aus verschiedenen Richtungen kommender Meeresströmungen. Malin hatte die Erklärung seines Bruders nicht ganz kapiert und war sich ziemlich sicher gewesen, daß auch Johnny nur die Hälfte davon verstanden hatte.
    Der Bug des Bootes tauchte in den Dunstschleier, und auf einmal befanden sich die beiden Brüder in einer seltsam milchigen Welt, in
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