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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Autoren: Patricia Highsmith
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von der Tür wegzutreten. Jeden Moment konnte jemand hereinkommen. Viel Platz zum Stehen gab es in dem kleinen Laden nicht. »Mir ist etwas zu Ohren gekommen. Ein Freund – Alan, Sie kennen ihn? Der Engländer. Auf der Party bei mir, vor einigen Wochen.«
    »Ja klar. Ihr Freund, der Engländer. Alain.« Gauthier erinnerte sich. Er sah ihn aufmerksam an.
    Jonathan gab sich Mühe, Gauthiers Glasauge mit keinem Blick zu streifen, sondern sich auf das andere Auge zu beschränken. »Nun, anscheinend haben Sie Alan erzählt, Sie hätten gehört, daß ich schwer krank wäre und vielleicht nicht mehr lange zu leben hätte.«
    Gauthiers sanftes Gesicht verhärtete sich. »Stimmt, M’sieur, das habe ich gehört. Ich hoffe, es ist nicht wahr. An Alain erinnere ich mich, weil Sie ihn mir als Ihren besten Freund vorgestellt haben. Ich nahm also an, er wüßte davon. Wahrscheinlich hätte ich besser nichts sagen sollen. Tut mir leid, das war vielleicht taktlos von mir. Ich dachte, Sie wollten Haltung zeigen, wie die Engländer so sind.«
    »Ist auch nicht weiter schlimm, Monsieur Gauthier, weil es nicht stimmt, soviel ich weiß. Ich habe gerade mit meinem Hausarzt gesprochen. Aber –«
    [38]  » Ah, bon! Na gut, das ist etwas anderes! Freut mich, das zu hören, Monsieur Trevanny, ha ha!« Pierre Gauthier lachte schallend, als wäre ein Gespenst gebannt und Jonathan weilte wie er wieder unter den Lebenden.
    »Aber ich wüßte doch gerne, woher Sie das haben. Wer hat Ihnen gesagt, ich wäre schwer krank?«
    »Ach so!« Gauthier dachte nach, einen Finger an die Lippen gelegt. »Wer war’s doch gleich? Ein Mann. Ja, natürlich!« Es war ihm wieder eingefallen, doch er schwieg noch.
    Jonathan wartete.
    »Ich weiß noch, wie er sagte, er wäre sich nicht sicher. Er hätte es irgendwo gehört. Eine unheilbare Blutkrankheit.«
    Heiß stieg die Angst in Jonathan auf, wie schon mehrmals zuvor in der letzten Woche. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Aber wer war das? Wie hat er davon erfahren? Hat er das nicht gesagt?«
    Wieder zögerte Gauthier. »Da es nicht stimmt, sollten wir’s nicht besser vergessen?«
    »Kannten Sie ihn gut?«
    »Nein, nur flüchtig, da können Sie sicher sein.«
    »Ein Kunde?«
    »Ja. Ja, das ist er. Ein netter Herr, ein Gentleman. Und da er gesagt hat, er wäre nicht sicher… Wirklich, M’sieur, Sie sollten ihm nicht böse sein, obwohl ich verstehen kann, wie sehr Ihnen solch eine Bemerkung gegen den Strich gehen muß.«
    »Bleibt die interessante Frage, wie dieser Gentleman erfahren haben will, ich wäre sehr krank«, setzte Jonathan lachend hinzu.
    [39]  »Ja genau. Na, Hauptsache, es stimmt nicht, hab ich recht?«
    Jonathan spürte Gauthiers französische Höflichkeit, seinen Widerwillen, einen Kunden zu verprellen, und, wie zu erwarten, seine Abneigung, über den Tod zu sprechen. »Sie haben recht. Das ist die Hauptsache.« Er schüttelte Gauthier die Hand (nun lächelten beide) und verabschiedete sich.
    Später am Tag fragte Simone beim Mittagessen, ob er von Alan gehört habe. Ja, sagte Jonathan.
    »Gauthier hat Alan davon erzählt.«
    »Gauthier? Der mit dem Kunstladen?«
    »Ja.« Jonathan zündete sich zum Kaffee eine Zigarette an. Georges war im Garten verschwunden. »Heute morgen bin ich bei Gauthier gewesen und hab ihn gefragt, woher er das hat. Von einem Kunden, hat er gesagt. Von einem Mann. – Ist doch komisch, oder? Gauthier wollte mir nicht sagen, wer es war, und ich kann ihm keinen Vorwurf machen. Natürlich ist das ein Mißverständnis. Gauthier weiß das.«
    »Aber schrecklich ist es trotzdem«, sagte Simone.
    Jonathan lächelte: So schrecklich fand Simone das alles gar nicht, weil sie wußte, daß Dr.   Perriers Befund nicht so schlimm gewesen war. »Wie heißt es so schön: Man soll aus einer Mücke keinen Elefanten machen.«
    Eine Woche später lief Jonathan dem Arzt in der Rue Grande über den Weg. Dr.   Perrier hatte es eilig, zur Société Générale zu kommen, denn die Sparkasse schloß um Punkt zwölf. Aber er blieb kurz stehen und fragte nach Jonathans Befinden.
    [40]  »Danke, ganz gut«, sagte Jonathan, in Gedanken bei dem Saugstopfen für die Toilette, den er hundert Meter weiter in einem Laden besorgen wollte. Der Laden schloß gleichfalls um zwölf.
    »Monsieur Trevanny…« Dr.   Perrier blieb stehen, eine Hand auf dem großen Knauf der Sparkassentür. Er trat einen Schritt zurück, auf Jonathan zu. »Was unser Gespräch neulich betrifft: Wissen Sie, bei
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