Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Titel: Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr
Autoren: Hollow Skai
Vom Netzwerk:
gewundert, wie viel ich über Marlene bereits wusste – von meiner Mutter. Woher die es wohl wusste? In Marlenes eigenem Buch stand davon nämlich nichts drin.«
    Die Leidenschaft, mit der Erika Möbius die Diva verehrte, ging jedenfalls auf ihren jüngsten Sohn über. »Meine erste Platte, die ich mir gekauft habe, war von Marlene Dietrich – Bitte geh nicht fort . Die habe ich Tag und Nacht gehört.«

04 Zu Hause
    Als 1986 sein erstes Solo-Album Rio I. erschien, lag den Rezensionsexemplaren, die an die Zeitschriften und Rundfunksender verschickt wurden, eine Biografie bei, in der es unter anderem hieß, Rio Reiser sei »als Kleinkind von russischen Soldaten in einem Bombentrichter im Berliner Stadtbezirk Tiergarten gefunden, in einem der damals noch überfüllten Waisenhäuser untergebracht und am 9. Januar 1957 von dem Fabrikantenehepaar Rika und Bert Braun-Möbius« adoptiert worden. Die Biografie endete mit dem fett gedruckten Hinweis Alles Lüge , doch selbst das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel fiel auf diesen offenkundigen Blödsinn rein und kolportierte die frei erfundene Vita.
    Als Kind war Rio, der am 9. Januar 1950 in Berlin geboren und auf den Namen Ralph Christian getauft wurde, ein Einzelgänger. Mit den Nachbarskindern, die ohnehin alle drei Jahre umzugsbedingt wechselten, konnte er wenig anfangen, und im Kindergarten langweilte er sich entsetzlich. Sensibel, wie er war, saß er lieber zu Hause, spielte mit seinen Autos oder den Puppen von Regina Peschke, die nebenan wohnte. Von seinen Brüdern wurde er aufgezogen, weil er’ne Heulsuse war, und als er im Fasching als Mädchen gehen wollte und ihm das verwehrt wurde, verstand er nicht, »was daran schlecht sein sollte«, schließlich durften Mädchen doch »die schickeren Sachen« anziehen.
    »Keiner verlangte von ihm, ein Wunderkind werden zu müssen, wie dieser Mozart eines gewesen war«, heißt es in dem Film Ich bieg dir’n Regenbogen , einem arte -Porträt von Peter Möbius und Hanno Brühl, das nach Rios Tod montiert wurde. »Alle Erwartungen konzentrierten sich auf Peter, den Ältesten«, der für seine Brüder »irgendwie das Genie« war, diese Rolle aber nicht akzeptieren wollte.
    Hatte Peter sich zunächst noch sehr viel mit Bruder Gert gestritten und geprügelt, so änderte sich das, als Rio auf der Welt war. Der verbündete sich häufig mit Gert gegen den großen Bruder und stellte sich dazwischen, wenn der eine dem anderen wieder mal an den Kragen wollte. »Zu dritt war es immer sehr schwierig«, erinnert sich Peter Möbius, weil das Verhältnis untereinander »sehr spannungsgeladen«, aber auch »kräftig und kreativ« war. Doch es habe auch immer viel Spaß gebracht, wenn Rio was mit Gert oder mit ihm oder wenn er was mit Gert gemacht habe. Drei Möbiusse gegen den Rest der Welt.
    Bruder Gert fiel dabei schon im Kindergarten die Beschützerrolle zu, die er bis heute nicht losgeworden ist. Mal ersteigerte er für den kleinen Bruder ein Schlagzeug, und mal nahm der mit Gerts Tonbandgerät eigene Hörspiele und Szenen aus Tom Sawyer und Huckleberry Finn auf. Auch sonst förderte er ihn, wo er nur konnte. 1967 nahm er ihn mit zu einem Konzert von Sandie Shaw, die damals barfuß auftrat, was Rio nachhaltig beeindruckte: Später trat auch er stets unbeschuht auf, weil er sich dann besser geerdet wähnte und man auch mit den Füßen sehen könne, selbst wenn man keine Hühneraugen habe. Sogar seinen Künstlernamen verdankte Rio zur Hälfte dem nächstgrößeren Bruder, der sich als Mitglied von Hoffmanns Comic Teater Giacomo Reiser genannt hatte, ihm das Pseudonym aber 1978 überließ, als Rio für seine Rolle in dem Film Johnny West einen Künstlernamen suchte, weil ihm sein bürgerlicher Name – Ralph Möbius – »zu sehr nach Arztromanen« klang. Peter Möbius: »Erst später merkte er, als er den Roman Anton Reiser gelesen hatte, die verkappte Autobiografie des Karl Philipp Moritz, dass dieser Reiser knapp 165 Jahre, bevor er, Rio, geboren wurde, genauso unter der Welt gelitten hatte, sich – wie er – fehl fühlte auf diesem Planeten, und nicht an sein sehnsüchtig angestrebtes Ziel gekommen war, als Künstler zu wirken und etwas in der Welt zu gelten.«
    Gänzlich unbelastet war das Verhältnis zwischen Rio und seinem Bruder Gert allerdings nie. Weil der sich nicht nur um ihn kümmerte, sondern ihn auch triezte, fragte er sich: »Das will ein Christ sein?« Und fing an, die Bibel zu lesen.
    Als dann eines Tages Mormonen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher