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Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr

Titel: Rio Reiser - Das alles und noch viel mehr
Autoren: Hollow Skai
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Kulturlandschaft kennen lernte, die nichts mit der tagesschaudeutschen Wetterkarte in den Grenzen von 1938 zu tun hatte.«
    Als die Familie weiterzog nach Niederroden in den Rodgau, schloss sich ihr Blalla an, übernachtete im Hobbykeller und erzog Rio zum »vollwertigen Schmutz-und-Schund-Soldaten«. Im Rahmen einer »intergalaktischen Jugendweihe« taufte er ihn feierlich in Rio de Galaxis um – den Vornamen behielt er bis zu seinem Tod.
    Mit Bruder Gert fuhr er eines Abends nach Frankfurt, zum Industriehof, wo freitags immer La Bamba getanzt wurde, ein Tanz, der Rio an das Mexikanische Nationalballett erinnerte, und wo auch The Ravens spielten. Wie es genau dazu kam, daran konnte sich später keiner mehr so richtig erinnern, jedenfalls sang Rio zwei oder drei Songs der Rolling Stones, woraufhin irgendjemand meinte: »Der singt ja wie Mick Jagger!«
    Er hatte die Bühne kaum wieder verlassen, da wurde er schon vom Surfriders-Gitarristen Roger, einem hessisch babbelnden Franzosen, als Sänger engagiert: »Du singst ja noch viel besse als der Fürst von de Räävens, hier!« Zwei Wochen später nahmen die Surfriders bereits an einem Bandwettbewerb im Bürgerhaus Ginnheim teil, wo sie I’m Alright von den Stones spielten und den vorletzten Platz belegten.
    Die für sein Leben wichtigste Bekanntschaft stand ihm da allerdings noch bevor. Es war am 15. Januar 1966 um 14.30 Uhr, als ein fast gleichaltriger Junge an der Reihenhaustür der Familie Möbius klingelte und sich vorstellte: »Ich bin der Ralph.«
    Ralph Pierre Steitz, der sich später R.P.S. Lanrue nannte, war Schlagzeuger der Beatkinks, die Songs wie Hang On Sloopy von den McCoys oder For Your Love von den Yardbirds spielten, aber dringend einen Sänger suchten. Rio griff kurz entschlossen zur Klampfe und spielte Play With Fire von den Stones, einen Song, den Blalla »echt krank« fand, was damals als größtes Lob überhaupt galt. So begann eine mehr als außergewöhnliche Freundschaft, die dreißig Jahre andauern sollte und erst mit dem Tod von Rio endete.
    Nachdem er bereits die Schule abgebrochen hatte, beendete er nun auch vorzeitig eine Fotografenlehre und schrieb sich am Offenbacher Konservatorium als Cellist ein. Das Cello hatte er sich ausgesucht, »weil es bei Yesterday die schönsten Linien spielte«. In seinen Erinnerungen König von Deutschland bedankte er sich dafür beim Beatles-Produzenten George Martin. Doch auch diese Ausbildung führte er nicht zu Ende. Aber wofür benötigte er auch einen Abschluss? »Um E-Gitarre zu spielen«, so Peter Möbius, »brauchte man einen Anschluss und das Geld für eine Supreme-Gesangsanlage, einen Selmer-Gitarrenverstärker, kein Abitur.« Und Connections. Und die hatten die Gebrüder Möbius.
    Rio war 17, als am 2. Juli 1967 im Theater des Westens in der Berliner Kantstraße die von ihm komponierte und seinen Brüdern inszenierte Beat-Oper Robinson 2000 aufgeführt wurde – den Titel hatte sich ihre Mutter ausgedacht. Unter den Premierengästen befanden sich internationale Rockstars wie Ray Davies von den Kinks, der Who-Gitarrist Pete Townshend (für den Rio später Texte ins Deutsche übersetzen sollte, die jedoch nie veröffentlicht wurden) und der Stones-Drummer Charlie Watts. Auf der Bühne mühten sich der Schlagersänger Peter Horten als aztekischer Rachegott Zastro, Hans Hass jr. als Psycho-Astronaut Robby, Marion März als Merlins Auge und Stargast David Garrick, der mit Dear Mrs. Applebee einen großen Hit gelandet hatte, von dem er auch dreißig Jahre später noch zehren sollte. Und auf den billigsten Plätzen blieb den Gebrüdern Möbius das Lachen im Halse stecken ob ihrer total verunglückten »Promenadenmischung aus existenzialistischem Studententheater und deutscher Billigoperette«, für die ein gewisser Wolfgang Das Boot Petersen als Produktionsleiter angeheuert worden war.
    Die erste Beat-Oper der Welt erhielt weltweit verheerende Kritiken, am Jahresende war das jedoch schon wieder Schnee von gestern. Rio schrieb die Songs für die Hanswurstiaden , eine Goethe-Revue, die der Regisseur Robert Wolfgang Schnell aus Goethes Jahrmarktsfest von Plundersweilen und seiner schweinischen Jugendsünde Hanswursts Hochzeit gestrickt hatte, und Bruder Gert entwarf dafür das Bühnenbild. »Die Inszenierung war lustig, frech schweinisch und trotzdem von Goethe«, erinnerte sich Rio 1994, und damit genau das Richtige für ein Off-Theater am Kurfürstendamm. Viel wichtiger war jedoch, dass auch Lanrue, der
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