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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07
Autoren: Gulik
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begann er von neuem:
    »Nach seiner Ankunft hier geriet der Akademiker jedoch so tief ins Vergnügen mit Roter Nelke, Pfingstrose und anderen Kurtisanenschönheiten, daß er darüber Eure Tochter vollständig vergaß. Nicht aber den Plan, Euch aus dem Amt zu jagen. Am Spieltisch traf er einen jungen Mann, den er für den Streich, das Geld in Eurem Landhaus zu verstecken, für geeignet hielt.
    Dann, am Fünfundzwanzigsten, seinem Sterbetag, machte der Akademiker eine Entdeckung oder glaubte wenigstens, eine Entdeckung gemacht zu haben. Er zahlte die drei Kurtisanen aus, mit denen er geschlafen hatte, und schickte seine schmarotzenden Zechkumpane nach der Hauptstadt zurück, weil er den Entschluß gefaßt hatte, seinem Leben ein Ende zu setzen. Am Abend, ehe er seinen Plan zur Ausführung brachte, wanderte er hinüber zum Pavillon der Blumenkönigin, um sich mit ihr ein letztes Mal zu treffen.
    Da beide tot sind, werden wir nie erfahren, welcher Art ihre wirklichen Beziehungen waren. Nach dem, was ich indessen gehört habe, lud sie der Akademiker zu seinen Gelagen nur deshalb ein, um ihnen einen erhöhten Glanz zu geben; dagegen brachte er es nie zuwege, mit ihr zu schlafen. Und vielleicht war das auch der wahre Grund, warum sie für ihn in seinen letzten Stunden zum Symbol aller irdischen Freuden wurde, auf die er nun verzichten mußte. In dieser krankhaften Stimmung vertraute er ihr einen Brief an seinen Vater an, den sie weiterzubefördern vergaß. Sie hatte nicht versucht, ihn zu ihrem Liebhaber zu machen, wahrscheinlich weil sie das Gefühl hatte, daß er denselben kalten, unendlich selbstsüchtigen Charakter wie sie selbst besaß. Und ganz gewiß ist, daß er sich niemals erbot, sie freizukaufen.«
    »Niemals erbot, sie freizukaufen? Welcher Widerspruch, Herr!« rief Feng aus. »Sie selbst sagte es!«
    »Sie tat es. Aber sie log. Als sie vernahm, daß er sich getötet und ihr ein paar schwärmerische Zeilen hinterlassen hatte, erkannte sie darin eine ausgezeichnete Gelegenheit, ihren großen Ruf in der Welt der ›Blumen und Weiden‹ weiter aufzupolstern.
    Kühn behauptete sie, das schmeichelhafte Angebot eines berühmten jungen Gelehrten ausgeschlagen zu haben.«
    »Damit verstieß sie gegen die ungeschriebenen Gesetze vornehmer Lebensart«, ereiferte sich Feng zornig. »Ihr Name wird von der Liste der Blumenköniginnen gestrichen.«
    »Sie war nicht besser, als es von ihr erwartet werden konnte«, bemerkte Richter Di trocken, »und schließlich war es Euer Gewerbe, das sie so gemacht hatte. Wir haben noch einen Grund, nicht zu hart von ihr zu sprechen. Sie erlitt einen ganz entsetzlichen Tod.«
    Der Richter warf einen raschen Blick auf die geschlossene Verandatür. Er fuhr mit der Hand übers Gesicht. Dann sah er seine beiden Besucher durchdringend an und fuhr fort:
    »Ihr, Feng, fälschtet die Beweisumstände auf Selbstmord um. Und Ihr, Jadering, erzähltet mir eine lange Reihe von Lügen. Zum Glück für Euch jedoch logt Ihr zwei mich während einer nichtamtlichen Besprechung an und legtet Euer falsches Zeugnis nicht schriftlich nieder, bekräftigt durch Euer Siegel und Euern Daumenabdruck. Auch vergesse ich nicht, daß Ihr, Feng, bei Eurem Eid, mir die reine Wahrheit zu sagen, die ausdrückliche Einschränkung machtet, er solle sich nur auf die Rolle beschränken, die Ihr bei den Ereignissen vor dreißig Jahren spieltet. Nun aber ist das Gesetz so auszulegen, daß die Justiz als ihren letzten Zweck die Sühne und Wiedergutmachung des durch das Verbrechen verursachten Schadens anstrebt, soweit das möglich ist. Der Vergewaltigungsversuch ist ein Verbrechen, sogar ein sehr schweres. Daher will ich die von Euch und Eurer Tochter gemachten Fehler vergessen. Ich werde nunmehr den Selbstmord des Akademikers als erwiesen registrieren lassen und verschmähte Liebe als Tatmotiv angeben. Den Ruf der unglücklichen Blumenkönigin zu schmälern, hat aber ebensowenig Sinn, deshalb werdet Ihr, Feng, ihren Betrug nicht erwähnen und ihren Namen nicht von der Liste der Blumenköniginnen streichen.
    Was den Kunsthändler Wen Yüan angeht, so hat er sich der heimtückischen Verschwörung schuldig gemacht. Aber er tat es auf so unwirksame Weise, daß alle seine plumpen Pläne fehlschlugen, bevor er wagen durfte, an ihre Ausführung zu gehen. Obwohl er bei seinem gemeinen Charakter zu diesem Verbrechen durchaus fähig ist, hat er in Wirklichkeit wahrscheinlich nichts begangen, weil er viel zu feige ist, seine bösartigen,
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