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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07
Autoren: Gulik
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stellen, junger Mann! Wir Gerichtsgehilfen sind tiefe Denker, kann ich Euch sagen! Stets wissen wir mehr, als Ihr Euch vorstellen könnt. Natürlich wußte ich längst Bescheid über Euch und diesen bunten Vogel – ausprobiert hab’ ich sie auch, sozusagen. Nun ja, ich hatte eben Glück, hier am Spieltisch. Da sie aus meinem eignen Heimatdorf ist und Euch gern hat, hab’ ich mich heute nachmittag entschlossen, sie für Euch loszukaufen.« Er zog die Quittungen aus seinem Ärmel und gab sie Silberfee. Dann holte er das rote Päckchen mit dem Silber hervor und warf es dem jungen Mann zu. »Und da ist das Reisegeld und noch was dazu, damit Ihr genug zum Anfang als Schulmeister habt. Sagt nicht nein, Ihr Narr, noch haufenweise gibt’s von dem Zaster dort, woher ich das da habe! Viel Glück!«
    Er stand auf und ging schnell weg.
    Als er unten im Vorsaal war, kam Silberfee hinter ihm hergelaufen.
    »Ma Jung!« keuchte sie. »Ihr seid großartig! Darf ich Euch älteren Bruder nennen?«
    »Immer!« antwortete er gutgelaunt. Dann runzelte er die Stirn und setzte hinzu: »Übrigens, mein Chef, der Richter, zeigt Interesse für Euren jungen Mann. Wird nichts von Bedeutung sein, denke ich. Doch sollt Ihr die Insel nicht vor morgen mittag verlassen. Hört Ihr bis dahin nichts von mir, könnt Ihr abreisen!«
    Als er die Tür aufmachte, drängte sie sich rasch an ihn heran und sagte:
    »Ich bin so glücklich, daß Ihr die ganze Zeit schon Bescheid wußtet über Kia und mich! Als Ihr vorhin hereinkamt, hatte ich ein bißchen Angst, älterer Bruder. Denn vorher, als Ihr mich … ausprobiertet drüben bei der Witwe Wang, glaubte ich beinah, daß Ihr Euch in mich verliebt hättet, versteht Ihr?«
    Ma Jung lachte laut auf.
    »Setz dir keine Mücken in den Kopf, kleine Schwester! Tatsache ist: Wenn ich ’ne Sache mache, tu’ ich’s gründlich, mit allem Drum und Dran, sozusagen!«
    »Geh, du Schlimmer!« schmollte sie.
    Er gab ihr einen Klaps hintendrauf und machte sich davon.
    Die Straße hinunterbummelnd, stellte er verwundert fest, daß er nicht wußte, ob er glücklich oder traurig war. Er schüttelte die Ärmel und fand sie erschreckend leicht; nur ein paar Kupferlinge waren ihm geblieben. Nicht einmal genug für die bescheidenste der auf der Paradiesinsel gebotenen Vergnügungen. Er dachte an einen ausgiebigen Spaziergang durch den Park, aber dann merkte er seinen schweren Kopf. So ging er in das erstbeste Logierhaus und legte seine paar Kupfer für ein Nachtquartier an.
    Er zog die Stiefel aus, lockerte den Gürtel und streckte seinen müden Rücken auf der gemeinsamen Holzpritsche zwischen zwei schnarchenden Landstreichern aus. Beide Hände unter den Kopf geschoben, starrte er zur rissigen, von Spinnweben bedeckten Decke empor.
    Es kam ihm in den Sinn, daß er seine Nächte auf eigenartige Weise auf der heiteren Paradiesinsel verbrachte. Erst auf dem Fußboden einer Dachkammer, dann auf der Holzpritsche in einer Spelunke, zu fünf Kupfer die Nacht. »Muß wohl an dieser verdammten seelenändernden Brücke liegen, über die ich bei der Ankunft gehen mußte!« murmelte er. Dann schloß er brav die Augen und sprach streng zu sich selbst:
    »Geh und schlaf … älterer Bruder!«

Achtzehntes Kapitel
    Nachdem Richter Di einige Schalen Tee getrunken hatte, meldete ihm der alte Schreiber, daß die Sänfte des Vorstehers im Vorderhof angekommen sei. Der Richter stand auf, um Feng und Jadering auf dem Gang entgegenzugehen und sie zu begrüßen.
    »Meine Entschuldigung für die Störung so spät in der Nacht!« mit diesen lebhaften Worten leitete er seine Rede an die Besucher ein. »Neue Tatsachen haben sich ergeben und meine Aufmerksamkeit erregt, daher glaube ich, daß eine Aussprache darüber die schwebenden Probleme beträchtlich vereinfachen könnte.«
    Er führte sie ins Wohnzimmer und bestand darauf, daß auch Jadering am Tisch Platz nahm. Fengs Gesicht war so unergründlich wie immer, doch in den großen Augen seiner Tochter stand unverkennbare Angst. Richter Di schenkte seinen Gästen den Tee selber ein und fragte Feng anschließend:
    »Habt Ihr schon gehört, daß zwei Eurer Leute heute nachmittag von einer Schar von Strolchen überfallen wurden?«
    »Ja, das habe ich, Herr. Der Angriff wurde von den auf dem anderen Flußufer lebenden Straßenräubern organisiert, die drei der Ihrigen rächen wollten. Sie waren bei einem kürzlichen Überfall von meinen Geheimpolizisten getötet worden. Ich bedaure aufrichtig, daß dabei
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