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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07
Autoren: Gulik
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gelehnt, durchforschte er mit aufmerksamen Blicken die Büsche und das Unterholz zu seinen Füßen.
    Dann kehrte er ins Wohnzimmer zurück und schloß die Doppeltür hinter sich. Nachdem er den Riegel vorgeschoben hatte, machte er auch die Fensterläden zu. Als er sich am Teetisch niederließ, kam ihm in den Sinn, daß es in dem geschlossenen Raum bald sehr heiß sein würde. Aber er durfte sich keiner Gefahr aussetzen. Er wußte nun, daß er es mit einem tollkühnen, vollkommen erbarmungslosen Mörder zu tun hatte.

Siebzehntes Kapitel
    Ma Jung hatte sich in einem Nudelspeisehaus eine gute Mahlzeit einverleibt und dazu zwei große Krüge schweren Weins getrunken. Jetzt schlenderte er die Straße der Schlafhäuser entlang, einen lustigen Singsang vor sich hinsummend. Er war in festlicher Stimmung.
    Das ältliche Weib, das ihm die Tür mit dem Schild »2. Rang, Nummer 4« öffnete, sah ihn mißmutig an. Sie fragte:
    »Was wollt Ihr jetzt schon wieder?«
    »Die Kurtisane Silberfee besuchen.«
    Indem sie ihn zur Treppe führte, fragte sie sorgenvoll:
    »Sie hat uns doch nicht in Schwierigkeiten gebracht, hoffentlich? Von der Verwaltung bekam ich diesen Nachmittag die Nachricht, daß sie freigekauft wäre. Doch als ich ihr die große Neuigkeit überbrachte, schien sie tief erschrocken zu sein. Froh war sie ganz und gar nicht!«
    »Wartet ab, bis wir zusammen losziehen! Ihr braucht nicht mit hinaufzugehen. Ich finde allein den Weg zu ihrem Zimmer.«
    Er stieg die schmale Treppe hinauf und klopfte an die Tür, die ein Schildchen mit dem Namen »Silberfee« trug.
    »Ich bin krank, kann niemand sehen!« hörte er sie von innen rufen.
    »Nicht mal mich?« rief Ma Jung draußen.
    Die Tür flog auf, und Silberfee zerrte ihn herein.
    »Ich bin so froh, daß Ihr da seid!« sagte sie aufgeregt und lächelte unter Tränen. »Etwas Schreckliches ist passiert! Ihr müßt uns helfen, Ma Jung!«
    »Uns?« fragte er verwundert. Jetzt erst bemerkte er Kia Yu-po, der mit übergeschlagenen Beinen auf dem Bett saß. Wie immer machte er einen tiefbetrübten Eindruck. Wortlos setzte sich Ma Jung auf den Stuhl, den ihm das Mädchen zugeschoben hatte. Silberfee selbst nahm dicht neben dem Poeten Platz und fing aufgeregt zu reden an:
    »Kia Yu-po wollte mich gern heiraten, doch er hatte all sein Geld verloren. Nun warf dieses böse Fräulein Feng seine Angel nach ihm aus! Schon immer hatte er soviel Pech, der arme Junge!« Sie sah den Jüngling zärtlich an. »Heute abend aber traf uns der schwerste Schlag! Stellt Euch vor, irgendein gräßlicher Mann hat mich gekauft! Die ganze Zeit hatten wir gehofft, einen Ausweg zu finden, und nun dieses Ende! Ihr seid Gerichtsbeamter, nicht wahr? Könnt Ihr nicht mit Eurem Amtmann sprechen, damit er uns aus der Patsche hilft?«
    Ma Jung schob seine Kappe zurück und kratzte sich verlegen den Kopf. Mit einem fragenden Blick auf den Poeten sagte er zu diesem:
    »Was soll dieses Gerede von Heirat? Wolltet Ihr nicht zuerst in die Hauptstadt zurück und Eure Examen bestehen, um so was wie ein Beamter zu werden, he?«
    »Der Himmel bewahre mich davor! Diesen Plan hatte ich einmal in einem Anfall irregeleiteten Ehrgeizes. Nein, mein Ideal ist, ein kleines Haus irgendwo auf dem Land zu haben, dazu eine Frau, die mir gefällt, und Verse zu schmieden. Ihr glaubt doch selber nicht, daß ich je einen guten Beamten abgebe. Ist’s nicht wahr?«
    »Nee!« rief Ma Jung überzeugt.
    »Genau, was mir Euer Chef zu verstehen gab! Also, so stehen die Dinge. Wenn ich bloß das Geld dazu hätte, längst hätte ich dieses hübsche Mädel gekauft und mich mit ihr an einem stillen Ort niedergelassen. Wir wären zufrieden mit unserem täglichen Napf Reis und ab und zu einem kleinen Krug Wein. Und das Geld hiefür kann ich mir als Schulmeister verdienen.«
    »Als Schulmeister!« rief Ma Jung und schüttelte sich schaudernd.
    »Er ist ein wunderbarer Lehrer!« rief Silberfee stolz. »Er erklärte mir ein sehr schwieriges Gedicht. Und so geduldig ist er!«
    Ma Jung sah das Paar nachdenklich an.
    »Nun gut«, sagte er langsam, »gesetzt den Fall, ich könnte was für Euch beide tun. Wollt Ihr, Herr Poet, versprechen, daß Ihr dieses Mädchen in sein Heimatdorf zurückbringt und dort ordnungsgemäß heiratet?«
    »Aber natürlich! Doch wovon schwatzt Ihr eigentlich, lieber Freund? Erst heute nachmittag rietet Ihr mir, Fräulein Feng zu heiraten, und nun …«
    »Haha!« schrie Ma Jung hitzig heraus, »ich wollte Euch nur auf die Probe
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