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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07
Autoren: Gulik
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Blumenkönigin leerte den Becher auf einen Zug. Sofort ließ sie ihn wieder füllen. Dann fragte sie den Richter leichthin:
    »Übergab Euch Amtmann Lo keine Botschaft für mich?«
    »Er beauftragte mich, den Anwesenden sein aufrichtiges Bedauern auszusprechen«, gab Richter Di mit einiger Verwunderung zur Antwort. »Zweifellos seid Ihr darin inbegriffen.«
    Sie gab keine Antwort, sondern schaute nur eine Weile starr auf ihren Becher, wobei sich eine tiefe Falte zwischen ihre schönen Augenbrauen legte. Der Richter bemerkte, daß die anderen vier Männer sie ängstlich beobachteten. Plötzlich warf sie den Kopf hoch und fuhr die beiden Musikantinnen herrisch an:
    »Sitzt nicht so blöde glotzend da, ihr zwei! Spielt etwas, dafür seid ihr herbestellt!«
    Als die beiden erschrockenen Mädchen zu spielen begannen, leerte die Blumenkönigin ihren Becher, wiederum auf einen Zug. Mit Neugier betrachtete Richter Di seine schöne Nachbarin und stellte fest, daß die grausamen Falten um ihre Mundwinkel sich tiefer eingegraben hatten, was auf eine abscheuliche Laune hindeutete. Sie hob die Augen und schleuderte Feng einen bohrenden Blick zu. Dieser wich ihren Augen aus und begann, sich eifrig mit Tau Pan-te zu unterhalten.
    Plötzlich kam dem Richter ein erleuchtender Gedanke. Auf der Veranda hatte sie ihm gesagt, daß sie die Frau eines Amtmanns werden würde, der nebenher ein Poet und ein reicher Mann sei. Und Lo war ein Dichter, auch verfügte er über reichliche private Mittel, wie es hieß! Der Gedanke belustigte ihn, daß es offenbar sein liebeshungriger Kollege war, der während der Untersuchung des Selbstmordes mit der Blumenkönigin vertraut geworden war und ihr in einem unbedachten Augenblick vorschnell versprochen hatte, sie loszukaufen und zu heiraten. Das erklärte seine übereilte, beinahe heimliche Abreise. Dringende amtliche Geschäfte, fürwahr! Der lebenslustige Amtmann mochte sehr bald dahintergekommen sein, daß er sich als Liebesgespielin eine ehrgeizige, grausame Frau erkoren hatte, die nicht zögern würde, jede Art von Druck auf ihn auszuüben und die Tatsache auszunutzen, daß er mit einer wichtigen Zeugin in einem Gerichtsverfahren intime Beziehungen angeknüpft hatte. Kein Wunder, daß er der Insel eiligst den Rücken kehrte! Aber auch ihn, seinen Kollegen, hatte dieser verfluchte Narr in eine höchst unbequeme Lage gebracht. Natürlich wußten Feng und seine Freunde um Los törichte Liebe und hatten daher Herbstmond eingeladen. Wahrscheinlich sollte bei dem Festmahl der Loskauf des Mädchens gebührend gefeiert werden! Daher auch ihre Bestürzung, als sie gewahr wurden, daß Lo Fersengeld gegeben hatte. Sie mußten auch begriffen haben, daß er ihnen Sand in die Augen gestreut hatte, und sie mußten ihn, den neugebackenen Beisitzer, als ausgemachten Narren ansehen! Nun gut, er mußte versuchen, die Scharte auszuwetzen.
    Er schenkte der Kurtisane sein liebenswürdigstes Lächeln und sagte:
    »Soeben erfuhr ich, daß es der rühmlichst bekannte Akademiker Li Liän war, der sich um Euretwillen das Leben nahm. Wie recht hatten doch die Alten, wenn sie feststellten, daß es stets die begabtesten und hübschesten jungen Männer sind, die sich in die intelligentesten und schönsten Frauen verlieben!«
    Herbstmond bedachte ihn mit einem schrägen Seitenblick. Sie sagte, freundlicher als zuvor:
    »Habt Dank für das Kompliment. Ja, Li war ein reizender Junge in seiner Art. Er schenkte mir zum Abschied ein Fläschchen Parfüm in einer Hülle, auf die er ein entzückendes Gedicht geschrieben hatte. Er kam eigens zu mir in meinen Pavillon gelaufen, um es mir an demselben Abend zu überbringen, wo sich der arme Kerl das Leben nahm. Er wußte, wie sehr ich kostspielige Parfüme schätze!« Sie seufzte und fuhr dann gedankenschwer fort: »Ich hätte ihn doch ein bißchen ermutigen sollen, bei alledem. Er war so aufmerksam und freigebig außerdem. Ich kam noch nicht dazu, sein Päckchen zu öffnen, wer weiß, was für ein Parfüm es ist! Er kannte ja meine Vorliebe für Moschus oder auch indische Sandelessenz. Ich erwähnte es, als er sich verabschiedete, doch äußerte er sich nicht weiter, sondern sagte nur: ›Sorgt dafür, daß es seine Bestimmung erreicht!‹ Damit meinte er mich! Stets war er zu kleinen Späßen aufgelegt! Welches Parfüm, meint Ihr, paßt am besten zu meinem Typ, Sandel oder Moschus?«
    Richter Di wollte sich eben eine vollendete Schmeichelei ausdenken, als er durch einen Zwischenfall auf
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