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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07
Autoren: Gulik
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Er bot ihr an, sie loszukaufen, doch weigerte sie sich.«
    »Zufällig begegnete ich ihr heute abend zu früherer Stunde«, sagte der Richter frostig. »Sie schien gewissermaßen stolz darauf zu sein, daß die Männer um ihretwillen Selbstmord begingen. Mag sein, daß sie eine verwöhnte, gefühllose Kokette ist, dachte ich bei mir. Daher scheint mir auch ihre Anwesenheit heute abend hier …«
    »Ich hoffe«, warf Tau Pan-te hastig dazwischen, »daß Euer Gnaden sich gütigst bereit finden, ihre Haltung unter den hier herrschenden Umständen und auf dem besonderen lokalen Hintergrund zu sehen. Der Ruhm einer Kurtisane wird beträchtlich erhöht, wenn sich jemand ihretwegen das Leben nimmt, besonders wenn der Betreffende eine angesehene Person ist. Über eine solche Affäre wird in der ganzen Provinz ausgiebig gesprochen, ja sie zieht sogar neue Kunden an, deren krankhafte Neugier …«
    »Betrüblich, ganz gleich, gegen welchen Hintergrund man die Sache betrachtet!« fiel ihm Richter Di streng in die Rede.
    Die Kellner brachten eine stattliche Platte mit dem Entenbraten herein. Der Richter kostete und mußte zugeben, daß die Ente vorzüglich war. In diesem Punkt wenigstens hatte ihn sein Freund Lo wahrheitsgetreu unterrichtet.
    Drei junge Mädchen traten ein und verbeugten sich. Die eine hielt eine Gitarre, die andere eine kleine Handtrommel. Während sich diese beiden an der Wand auf Taburette niedersetzten, trat die dritte, ein anziehendes Geschöpf mit einem hübschen Gesicht, an den Tisch und schenkte Wein ein. Feng stellte sie als die Kurtisane Silberfee vor, eine Schülerin von Herbstmond.
    Poet Kia Yu-po, der bemerkenswert still gewesen war, schien jetzt munter zu werden. Er wechselte scherzhafte Worte mit Silberfee, fing eine Unterhaltung mit dem Richter an und redete über alte Balladen. Das Mädchen mit der Gitarre stimmte eine fröhliche Melodie an, zu der ihre Begleiterin auf der Trommel mit der flachen Hand den Takt schlug. Just als das Lied zu Ende war, hörte Richter Di den Kuriositätenhändler ärgerlich fragen:
    »Warum so prüde, mein Mädchen?«
    Er bemerkte, daß die tieferrötende Silberfee Anstrengungen machte, um von dem alten Manne, der seine Hand tief in ihren weiten Ärmel gesteckt hatte, loszukommen.
    »Noch ist es früh am Abend, Herr Wen!« wies ihn der junge Poet scharf zurecht.
    Als Wen die Hand eilig zurückzog, rief Feng Dai mit lauter Stimme aus:
    »Füll Herrn Kia den Becher, Silberfee! Und sei freundlich zu ihm; bald muß er mit seinem fröhlichen Junggesellenleben Schluß machen!« Zu Richter Di gewendet, fügte er hinzu: »Ich bin glücklich, Ihnen, mein Herr, mitzuteilen, daß in wenigen Tagen Herr Tau Pan-te als Mittelsmann die Verlobung des Herrn Kia Yu-po mit meiner einzigen Tochter Jadering bekanntmachen wird.«
    »Darauf wollen wir trinken!« rief Tau Pan-te mit gemütlichem Tone aus.
    Richter Di war im Begriff, den jungen Poeten zu beglückwünschen, als er plötzlich innehielt. Bestürzt blickte er auf die hochgewachsene Frau mit der Herrscherinnenmiene, die im Türrahmen erschienen war.
    Sie war prächtig anzusehen in einer wundervollen Robe aus violettem Samt mit einem goldenen Muster von Vögeln und Blumen, ihrem hohen Kragen und den langen, schleppenden Ärmeln. Die breite Purpurschärpe, die ihre Taille eng umschloß, hob ihre Schlankheit um die Hüften und ihren üppigen Busen vorteilhaft hervor. Ihr Haar war hochfrisiert in einem Knoten, den lange goldne Haarnadeln mit juwelenbesetzten Knöpfen zierten. Ihr glattes, ovales Gesicht war sorgfältig gepudert und rot geschminkt; von ihren zarten, kleinen Ohren hingen lange Gehänge aus grünem Jade herab.
    Feng entbot ihr ein stürmisches Willkommen. Sie machte eine mechanische Verbeugung, musterte darauf schnell die Tischgesellschaft und fragte Feng stirnrunzelnd:
    »Ist Amtmann Lo noch nicht gekommen?«
    Dienstbeflissen erklärte ihr Feng, daß der Amtmann die Insel unerwartet hatte verlassen müssen, daß aber Seine Exzellenz Di, der Amtmann des Nachbarbezirks, ihn zu vertreten gekommen sei. Er lud sie ein, neben dem Richter Platz zu nehmen. Da sie nun einmal da war, glaubte Richter Di, gute Miene dazu machen zu müssen, um etwas Näheres über den toten Akademiker von ihr zu erfahren. So sagte er aufgeräumt:
    »Nun sind wir in aller Form bekannt geworden! Wahrhaftig, ich habe Glück heute!«
    Herbstmond sah ihn kalt an. »Schenk mir ein!« befahl sie Silberfee. Eilfertig gehorchte das anmutige Mädchen, und die
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