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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit
Autoren: Dieter Borchmeyer
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Reich der Venus nach Zeitlichkeit und Sterblichkeit.
    Wenn stets ein Gott genießen kann,
bin ich dem Wechsel unterthan;
nicht Lust allein liegt mir am Herzen,
aus Freuden sehn’ ich mich nach Schmerzen. (GS II, 6)
    Ja: »O, Göttin, woll’ es fassen, / mich drängt es hin zum Tod!« Nicht Unsterblichkeit, sondern Sterblichkeit ist Leben. Deshalb muss es für Tannhäuser eine furchtbare Drohung sein, als Venus ihm das Ahasver-Schicksal – das Schicksal des Fliegenden Holländers – ankündigt: »Wenn selbst der Tod dich meidet, ein Grab dir selbst verwehrt?« (GS II, 11)
    Auch Siegmund schlägt die von Brünnhilde verkündete »ewige Wonne« – aus seiner Sicht: »Walhalls spröde Wonnen« (GS VI, 53) – zugunsten des Leidens an der Seite Sieglindes aus und erschüttert mit dieser Entscheidung Brünnhilde so tief, dass sie in diesem Moment aufhört, die »fühllose Maid« zu sein, für die Siegmund sie noch hält (GS VI, 53). Sie scheidet von der Welt zeit- und leidloser Göttlichkeit, verstößt aus kreatürlicher Solidarität mit dem leidenden Menschenpaar gegen den Befehl des Gottes und wird so selber zum Menschen, zur Sterblichen. ›Fühllose Maiden‹ aber sind auch die Feen in Wagners Oper – fühllos als Glieder einer Welt, der mit der Sterblichkeit auch die an dieselbe gebundene Gefühls- und Leidenserfahrung fehlt. Wie Brünnhilde aus dem Kreis der Walküren tritt Ada als Fühlende aus der fühllosen Schar der Feen heraus.
    Ada und Arindal teilen am Ende freilich nicht das Menschenlos, sondern werden dem »Erdenstaub« entrückt (SS XI, 58) und gemeinsam ins Reich der Unsterblichkeit aufgenommen. Das ist nur von dem Künstlermythos her erklärbar, der den – auf die Orpheus-Sage zurückweisenden – Schluss der Oper überhöht. Arindal, der mit Gesang und Leierspiel das Steinbild Adas entzaubert, ist durch diese Künstlertat »mehr als Mensch – unsterblich« geworden (SS XI, 57). Deshalb erfährt er mit der Versetzung in die Feenwelt die typische Künstlerapotheose.
    Die Feen sind die einzige der dreizehn Opern Wagners, zu deren Aufführung es zu seinen Lebzeiten nicht gekommen ist. (Erst 1888, zwei Jahre nach dem Tode Ludwigs II., dem Wagner die Partitur 1865 geschenkt hat, wird es am Münchner Hof- und Nationaltheater zur Uraufführung kommen – gegen den Willen Cosima Wagners übrigens, die jedoch keine Aufführungsrechte an den beiden ersten Opern besaß. Cosima berief sich auf den erklärten Willen Wagners, dass sein Erstlingswerk nicht zur ö ff entlichen Aufführung gebracht werden solle.) Als Wagner 1833 seine theaterpraktische Tätigkeit als Chordirektor in Würzburg begann, hatte er das fertige Libretto der Feen in der Tasche. Seine Reise in die mainfränkische Residenz, an deren Theater bereits sein Bruder Albert als Tenor wirkte, unterbrach er bezeichnenderweise in Bamberg, wo er sich nach seinen Worten »beziehungsvoll des Aufenthaltes Ho ff manns und der Entstehung der Phantasiestücke an diesem Ort« erinnerte (ML 81) – ein Zeichen, wie stark Wagner zu dieser Zeit noch im Bann der romantischen Dichtung stand. Während seines ganzen Würzburger Aufenthalts komponierte er an den Feen – die Partitur wurde am 6. Januar 1834 abgeschlossen – und brachte Teile daraus konzertant zur Aufführung.
    Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Leipzig Anfang 1834 ho ff te er, seine erste abgeschlossene Oper am dortigen Theater zur Uraufführung zu bringen. Die versprochene Einstudierung wurde jedoch immer wieder verschoben und schließlich ganz aufgegeben. Das lag vor allem daran, dass Wagner schon kurz nach der Fertigstellung der Partitur das Interesse an dem Werk verlor. »Bereits setzte mich der Beginn der Komposition des Liebesverbotes in eine Stimmung«, schreibt er in Mein Leben , »in welcher ich bald alle Teilnahme für jene ältere Arbeit verlor« (ML 104). Diese neue Stimmung drückt sich in Wagners ersten theoretischen Versuchen aus dem Jahre 1834 unmissverständlich aus: in den Aufsätzen Die deutsche Oper und Pasticcio von Canto Spianato . Sie dokumentieren die brüske Abkehr von der deutsch-romantischen Oper oder, aus seiner späteren Sicht: den Abfall in die Niederungen der »frivolen« italienisch-französischen »Modeoper« (GS IV, 256).

Kehrtwendung zum ›Jungen Deutschland‹ – Das Liebesverbot
    Wagners ästhetische Kehrtwendung steht in enger Verbindung mit seiner Konversion zum ›Jungen Deutschland‹. Am Schluss seines ersten Aufsatzes Die deutsche Oper ,
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