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Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)

Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Zeno Diegelmann
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Blödsinn.«
    Freitag hielt noch immer ihr blitzendes Messer fest an den Hals von Hübner gepresst, während der Kommissar sie mit seiner Waffe bedrohte. Sie fragte nicht, wie er sie gefunden hatte, doch sie zögerte, da er sie erstmals beim Vornamen genannt hatte.
    »Blödsinn? Sie halten das für Blödsinn? Ich dachte, dass gerade Sie mich verstehen würden. Sie kennen doch auch den Schmerz, der nie verebben will, nicht wahr?«
    Seeberg nickte. »Ja, den kenne ich. Und ich kann nicht leugnen, dass Hübner den Tod verdient. Aberdas ist nicht unsere Aufgabe, Freitag. Das ist Sache der Justiz.«
    »Der Justiz?« Ihre Nachfrage klang verächtlich. Automatisch drückte sie das Messer dabei noch ein klein wenig fester gegen die Haut von Hübners Hals, die unter der scharfen Klinge sogleich aufbrach. Ein paar Tropfen Blut flossen über den Hals zum Brustkorb. »Das glauben Sie doch selbst nicht. Dieses perverse Schwein hat mich und meine Schwester vergewaltigt und mit Dingen gequält, die Sie sich nicht im entferntesten vorstellen können.«
    Seeberg hatte solche Situationen in seiner langen Karriere schon oft erlebt. Doch noch nie hatte er das Gefühl dabei gehabt, auf der Seite des Täters zu stehen. Das war jetzt anders. Düstere Gedanken krochen empor. Zu gerne hätte er ihr zugerufen, dass sie Hübner abstechen und dass sie alle anderen Freier auch noch aufsuchen und töten solle, die sie damals geschändet hatten.
    »Ich weiß. Und niemand wird Ihnen diesen Schmerz jemals nehmen können. Auch nicht, wenn Sie jeden einzelnen nun abschlachten.«
    »Doch. Genau das will ich. Cunningham, Pogatetz und Karstensen waren nur der Anfang. Es gab auch noch andere. Amerikaner und Schweden. Ich werde sie alle finden. Sie sollen alle genau das durchleiden, was auch wir damals erdulden mussten.«
    »Sie und ihre Schwester?«
    »Ja.« Julia Freitag zögerte. »Wobei ich den meistenschon zu alt war.« Sie lächelte, doch ihre Augen erinnerten sich an den Schmerz. »Ich war ihnen schon zu weiblich. Sie wollten keine jungen Frauen, sie wollten Kinder. So wie meine kleine Schwester.«
    »Cunningham hielt die Kinder in seiner Gärtnerei gefangen, nicht wahr?«
    Eine Woge des Zorns schien über Freitag hinwegzuspülen.
    »Gefangen gehalten genügt gar nicht, um zu erklären, was wir dort erleiden mussten. Wir haben dort vor uns hin vegetiert und nur darauf gewartet, endlich sterben zu dürfen. Und dieser Gestank! Er hatte diese ekelhaften Teufelspflanzen gezüchtet, um seine Drogendeals besser verschleiern zu können und die Drogenspürhunde vom Zoll in die Irre zu führen. Die Gärtnerei war das perfekte Versteck. Nach dem Tsunami hat er uns alle wie entlaufenes Stück Vieh eingefangen und uns dorthin mitgenommen. Wegen dieses ekelhaften Gestanks wollte da eh keiner rein. Wir mussten tagsüber schuften und nachts seinen Kunden zur Verfügung stehen. Es war absolut widerlich.«
    »Sie meinen die Freier?«
    Julia Freitag nickte. »Die meisten waren Soldaten. Und manche Gewohnheiten von ihnen haben sichbei mir so tief eingegraben, dass ich sie bis heute nicht loswerden kann.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Der Kommissar folgte ihrem Blick, der zu den exakt gefalteten Kleidern fiel.
    »Alle waren so akkurat. Armeehaarschnitt, gedrillt und diszipliniert. Sie lachten meist, während sie ihre Uniformen auszogen und fein säuberlich zusammenlegten, bevor sie zu uns auf das Bett gekrochen kamen. Doch sobald sie die Kleider ausgezogen hatten, verwandelten sie sich in Bestien.«
    Seeberg hatte registriert, dass Julia Freitag während ihrer Worte das Messer etwas heruntergenommen hatte. Es ruhte nun mit der Spitze auf der Schulter von Hübner. Er versuchte, sie weiter in Fragen zu verstricken.
    »Wie viele Kinder wart ihr?«
    »Vier Mädchen und zwei Jungen. Alles Thais. Nur meine Schwester und ich waren keine Einheimischen. Und meine kleine, blonde Schwester war besonders beliebt. Sie hielt sieben Wochen durch, dann erkrankten wir alle an Cholera. Cunningham kam das gelegen, da wohl eine Razzia bevorstand. Er bekam einen Tipp und fuhr uns noch in der Nacht mit seinem LKW in den Norden. Dort warf er uns dann in einer menschenleeren Gegend wie Vieh von der Ladefläche. Valerie und die anderen Mädchen warenda bereits tot. Die zwei Jungs und ich wurden am nächsten Morgen von Reisbauern gefunden und in ein Krankenhaus gebracht. Für die zwei Jungs kam jede Hilfe zu spät. Ich war die Einzige, die überlebte.«
    Augenblicklich stand ihm Laura vor Augen.
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