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Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)

Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)

Titel: Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
Autoren: Janine Höcker
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ob ihr Handeln richtig ist, sie muss es spüren“, erklärte das Einhorn. Auriel glaubte, tief im Innern seiner Augen ein dumpfes Lodern erkennen zu können. „Du aber bist schwach, Auriel! Du hegst ständig Zweifel an deinem Tun, bist verliebt in die Macht der finsteren Künste und zugleich abgeschreckt von der kaltherzigen Grausamkeit, die sie mit sich führt. Du liebst es, Blut zu vergießen und trauerst im nächsten Moment um die Toten. Du verabscheust alles Leben, bist zerfressen von Hass und Verbitterung und zugleich spürst du eine warmherzige Liebe in dir, die dein Herz zu schmelzen scheint. Kurz: Du teilst nicht die Empfindungen einer wahren Hexerin.“
    Auriel fühlte sich, als habe Nymion sein Stirnhorn direkt in ihr Herz gebohrt. Ihre Atmung setzte einen Moment aus, als sie begriff, dass der beste Freund ihres Geliebten recht hatte. Er hatte ihre Unentschlossenheit besser erkannt als sie selbst, ihr rastloses Umherirren zwischen Finsternis und Licht bereits erspürt, als sie noch nicht einmal etwas davon geahnt hatte. Das Einhorn war weise. Es hatte die Macht, in Auriels Seele zu graben. Nymion hatte Auriel schon bei ihrem ersten Kontakt innerlich abgetastet – er wusste, wie sie dachte und fühlte. Der Hexerin wurde in diesem Moment bewusst, dass sie abermals versagt hatte. Das Feuer, das sie gerade noch verspürt hatte, drohte unter Nymions Hufen zertreten zu werden.
    Nymion weiß alles von mir, er hat jeden einzelnen meiner Gedanken gelesen. Er weiß von meiner Liebe zu Rhavîn. Und er hat mir geradewegs gesagt, dass eine solche Empfindung für eine Hexerin meiner Gesinnung nicht rechtmäßig ist. Bei den Göttern, er hat ja recht!
    Nymion bedeutete: „Gefühle wie Trauer, Reue und Liebe ziemen sich nicht für eine schwarze Hexerin. Du jedoch spürst sie wie jeder gewöhnliche Mensch. Und nichts anderes bist du, Auriel. Ein Mensch, der sich auf dem Weg zu Macht und Einfluss in den langen Gängen zwischen Licht und Dunkelheit verirrt hat.“
    „Aber ...“ Tränen traten in Auriels Augen. Abermals überkamen sie Hassgefühle. Wieder verachtete sie sich selbst.
     „Rhavîn hat sich in dir getäuscht!“ Nymions schwarze Augen blitzten. Auriel spürte die bedrohliche Kälte, die von dem Einhorn ausging, wie einen Regenschauer über sich hereinbrechen.
    „Überdies gilt es, den Schwur, den Rhavîn einst seinem Vater, dem ehrenwerten Zyrkat Khervas, gegenüber leistete, nicht noch weiter zu verletzen, als er es ohnehin bereits getan hat. Ich bin für Rhavîn verantwortlich, habe es mir zur Aufgabe gemacht, ihn zu begleiten und zu beschützen.“ Leidenschaft flammte in Nymions Blick. „Muss ich Rhavîn nur selten körperlich schützen, so muss ich ihn offensichtlich vor sich selbst und vor deinem schlechten Einfluss bewahren. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn Rhavîn seinen Schwur deinetwegen bricht und ich nichts dagegen unternommen habe.“ Nymion warf einen raschen Blick auf seinen Freund, Auriel folgte seinem Beispiel.
    Der Dunkelelf saß auf einem Findling. Er hielt den Kopf auf die Hände gestützt. Der erlegte Hase lag unangetastet zu seinen Füßen. Rhavîn starrte gedankenverloren auf das vom Wind zerzauste Fell des Tieres. Seine kühle Miene verriet nicht die Spur einer Empfindung und dennoch glaubte Auriel erkennen zu können, dass Rhavîn Trauer und Zweifel empfand. Er schien hin und hergerissen zu sein. Sie war sich sicher, dass Nymions harte Worte ihn verletzend trafen, dass er trotz allem noch immer zu ihr hielt.
    „Ich jedoch habe mich nicht in dir getäuscht, Auriel.“ Nymion schnaubte, Auriel lenkte ihren Blick zurück auf das Einhorn. „Ich wusste immer, ebenso wie du, dass du nicht bist, für wen du dich ausgibst.“ Das imposante Einhorn tänzelte einen Schritt zur Seite, während Auriel mit mürrischer Miene stehen blieb. „Heute habe ich es endlich vermocht, Rhavîn die Augen zu öffnen und seine Gedanken freizumachen für deine wahre Gestalt, sodass er dich nun endlich als das Wesen sieht, das du wirklich bist. Dass auch er endlich erkennt, wie widerwärtig und sinnfrei deine Gefühle sind und wie sie den Geist verwirren. Und davon haben Menschen nicht einmal genug, um diese Störungen auszugleichen.“ Die Stimme des Einhorns klang beißend. Seine Worte waren von einer Kälte, die eisiger nicht sein konnte. Voller Verachtung musterte er die junge Frau.
    „Was bezweckt Ihr, Nymion?“, fauchte Auriel. Fast unmerklich zog sie ihren Dolch aus der Scheide, um ihn
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