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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir
Autoren: Tahereh H. Mafi
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lasten, alles ist schwarz und chaotisch und konfus und anstrengend, und ich kann mir nur ungefähr erklären, wo ich bin. Durch einen winzigen Schlitz, den meine Augen bereit sind freizugeben, sehe ich schimmernde Keramik, wohl eine Badewanne, ziehe mich irgendwie hoch und lasse mich hineinsinken.
    Komplett bekleidet, mit Handschuhen, Stiefeln, Anzug, und dann empfinde ich ein Wohlbehagen, das ich mir nicht zu erträumen gewagt hätte.
    Meine Knochen beginnen aufzutauen, und meine Zähne hören auf zu klappern, und meine Muskeln lernen, sich zu entspannen. Meine Haare schweben auf dem Wasser und kitzeln mich an der Nase.
    Ich lasse mich nach unten sinken.
    Ich schlafe ein

68
    Ich erwache in einem himmlischen Bett. In Jungenkleidung.
    Es ist warm und behaglich in diesem Bett, aber ich spüre immer noch das Ächzen in meinen Knochen, den Schmerz in meinem Kopf, die Verwirrung, die meinen Geist vernebelt. Ich setze mich auf. Schaue mich um.
    Ich befinde mich in einem Schlafzimmer.
    Auf der orangeblauen Bettwäsche sind kleine Baseball-Handschuhe abgebildet. An einer Wand ein kleiner Schreibtisch mit Stuhl, daneben ein Kasten mit Schubladen, auf dem ordentlich Plastiktrophäen aufgereiht sind. Eine Holztür mit einem alten Messingknauf, die nach draußen führt. Eine Spiegelwand, hinter der sich wohl ein Schrank befindet. Rechter Hand ein Nachttisch, auf dem ein Wecker und ein Glas Wasser stehen.
    Ich trinke das Wasser rasch aus, beschämt über meine Gier.
    Als ich aufstehe, stelle ich fest, dass ich eine dunkelblaue kurze Sporthose trage, die mir fast von den Hüften rutscht. Dazu ein viel zu großes graues T-Shirt mit irgendeinem Logo drauf. Keine Strümpfe. Keine Handschuhe. Keine Unterwäsche.
    Ich frage mich, ob ich wohl das Zimmer verlassen darf, und beschließe, dass ich es wagen will. Habe keine Ahnung, was ich hier mache. Und wieso ich nicht schon tot bin.
    Als ich an der Spiegeltür vorbeikomme, erstarre ich.
    Meine Haare sind gewaschen worden und fallen in weichen, glänzenden Wellen über meine Schultern. Meine Haut schimmert und ist – von ein paar Schrammen abgesehen – weitgehend unversehrt. Und meine grünblauen Augen blicken mir groß und erstaunlich furchtlos entgegen.
    Doch mein Hals.
    Eine entstellte purpurfarbene Masse, die jegliche andere Wirkung zerstört. Ich kann mich kaum daran erinnern, dass ich gestern – ich glaube jedenfalls, dass es gestern war – beinahe erwürgt worden wäre, und merke erst jetzt, wie sehr das Schlucken schmerzt. Ich atme tief ein und gehe weiter. Muss einen Weg finden, hier rauszukommen.
    Die Tür öffnet sich sofort, als ich sie berühre.
    Ich blicke den Flur entlang. Habe keine Ahnung, wie viel Uhr es ist und in welcher Lage ich mich befinde. Ob noch irgendwer sonst außer Anderson – und der Person aus dem Badezimmer – im Haus ist. Aber ich muss mir einen Überblick über meine Lage verschaffen. Muss herausfinden, wie gefährlich meine Situation ist, bevor ich einen Fluchtplan entwerfe.
    Ich versuche lautlos die Treppe hinunterzuschleichen.
    Was nicht funktioniert.
    Die Stufen knarren, und ich kann keinen Rückzieher mehr machen, als er meinen Namen ruft. Er ist dort unten.
    Anderson.
    »Nur keine Schüchternheit«, sagt er. Ich höre Papier rascheln. »Ich habe hier was zu essen für Sie. Sie müssen ja halb verhungert sein.«
    Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich überlege rasch, welche Optionen ich habe. Und komme zu dem Schluss, dass ich mich in Andersons eigenem Versteck wohl schlecht vor dem Mann verstecken kann.
    Ich gehe nach unten.
    Anderson sieht unverändert schön aus. Die Haare liegen makellos, die Kleidung ist exquisit, tadellos sauber, perfekt gebügelt. Er sitzt im Wohnzimmer in einem der bequemen Sessel, eine Decke auf den Knien, neben sich einen mit kunstvollen Schnitzereien verzierten Gehstock. Hält einen Stapel Papiere in Händen.
    Es riecht nach Kaffee.
    »Bitte nehmen Sie Platz«, sagt er. Mein seltsames Outfit scheint ihn nicht zu erstaunen.
    Ich setze mich.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragt er.
    Ich schaue auf. Antworte nicht.
    Er nickt. »Ja, ich vermute, Sie sind sehr überrascht, mich hier vorzufinden. Entzückendes kleines Haus, nicht wahr?« Er blickt um sich. »Ich habe mir das angeeignet, nachdem ich meine Familie in die Gegend gebracht hatte, die heutzutage der Sektor 45 ist – der ja mein Sektor sein sollte. Und dieses Haus erwies sich als ideal, um meine Frau unterzubringen.« Er wedelt mit der Hand. »In den Siedlungen
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