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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir
Autoren: Tahereh H. Mafi
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kam sie offenbar nicht gut zurecht«, sagt er, als müsse ich wissen, wovon er redet.
    Seine Frau unterzubringen ?
    Ich weiß nicht, weshalb mich überhaupt noch irgendetwas überrascht, was aus seinem Mund kommt.
    Anderson bemerkt mein Erstaunen und blickt belustigt. »Deute ich das richtig, dass mein liebeskranker Sohn Ihnen nichts von seiner verehrten Frau Mutter erzählt hat? Er hat Sie nicht gelangweilt mit endlosen Schilderungen seiner erbärmlichen Liebe für die Kreatur, die ihn geboren hat?«
    »Was?« Mehr fällt mir dazu nicht ein.
    »Das schockiert mich«, sagt Anderson lächelnd, obwohl er nicht im mindesten schockiert aussieht. »Er hat wahrhaftig nicht erwähnt, dass er eine kränkliche Mutter hat, die in diesem Haus lebt? Er hat Ihnen nicht berichtet, warum er unbedingt diesen Sektor übernehmen wollte? Nein? Nichts dergleichen?« Er legt den Kopf schief. »Wie erschütternd.«
    Ich versuche mein rasendes Herz zu beruhigen, versuche zu begreifen, aus welchem Grund er mir das erzählt, versuche ihn zu durchschauen, aber es gelingt ihm verdammt gut, mich komplett zu verwirren.
    »Als ich zum Obersten Befehlshaber ernannt wurde«, fährt Anderson fort, »wollte ich Aarons Mutter hierlassen und den Jungen mit mir ins Kapitol nehmen. Aber er wollte seine Mutter nicht verlassen. Wollte sich um sie kümmern. Er musste bei ihr bleiben wie ein dummes Kind «, sagt er, lauter, verliert einen Moment die Beherrschung. Dann schluckt er. Fasst sich wieder.
    Und ich warte.
    Auf den Amboss, der wohl gleich auf meinen Kopf niedersausen wird.
    »Hat er Ihnen nicht berichtet, wie viele andere hervorragend geeignete Kandidaten sich für das Kommando von Sektor 45 beworben hatten? Und er war erst achtzehn!« Anderson lacht. »Alle dachten, er habe den Verstand verloren. Aber ich habe ihm eine Chance gegeben. Weil ich glaubte, es könnte ihm guttun, diese Verantwortung zu übernehmen.«
    Ich warte noch immer.
    Ein tiefer zufriedener Seufzer. »Und er hat Ihnen wohl auch nie erzählt, was er tun musste, um sich für diese Aufgabe zu qualifizieren?«
    Jetzt kommt es.
    »Er hat Ihnen nie offenbart, wie er sich den Posten angeeignet hat?«
    Ich bin innerlich tot.
    »Nein«, sagt Anderson, und sein Blick ist viel zu leuchtend. »Diesen Teil seiner Vergangenheit hat er wohl unterschlagen, nicht wahr?«
    Ich will das nicht hören. Ich will das nicht wissen. Ich will nicht mehr zuhören –
    »Keine Sorge«, sagt Anderson. »Ich werde Ihnen das jetzt nicht aufdrängen. Das soll er Ihnen am besten selbst erzählen.«
    Diese Ankündigung versetzt mich nun endgültig in Panik.
    »Ich werde bald wieder zum Hauptquartier aufbrechen«, sagt Anderson, sortiert seine Unterlagen. Es scheint ihn nicht zu stören, dass diese Unterhaltung ausgesprochen einseitig ist. »Ich ertrage es nicht lange, mit seiner Mutter unter einem Dach zu leben – ich ertrage Kranke generell leider nicht sehr gut –, aber dieses Haus hat mir als Zwischenstation in dieser Gegend gute Dienste erwiesen. Von hier aus kann ich das Geschehen in den Siedlungen gut im Auge behalten.«
    Die Schlacht.
    Die Kämpfe.
    Das Blutvergießen und Adam und Kenji und Castle und alle anderen
    Wie konnte ich sie nur vergessen
    Grauenhafte Bilder schießen mir durch den Kopf. Ich weiß nicht, was sich inzwischen ereignet hat. Ob sie noch am Leben sind. Ob sie wissen, dass ich noch am Leben bin. Ob es Castle gelungen ist, Brendan und Winston zu retten.
    Ob jemand, den ich kenne, umgekommen ist.
    Ich blicke wie wild um mich. Springe auf, weil ich plötzlich sicher bin, dass ich in einer Falle sitze, dass mich gleich jemand hinterrücks attackieren wird, dass in der Küche jemand mit einem Hackebeil auf mich wartet, und ich bekomme keine Luft mehr, keuche und überlege panisch, was ich tun soll tun soll tun soll und sage: »Was mache ich überhaupt hier? Wieso haben Sie mich hergebracht? Wieso haben Sie mich noch nicht getötet?«
    Anderson schaut mich an. Legt den Kopf schief. Sagt: »Ich bin sehr böse auf Sie, Juliette. Ganz ganz böse. Sie haben etwas ganz Schlimmes gemacht.«
    »Was? Wovon reden Sie?« Einen verrückten Moment lang bilde ich mir ein, dass er weiß, was sich zwischen Warner und mir abgespielt hat. Erröte beinahe.
    Doch er holt tief Luft. Greift nach dem Gehstock. Nur mit großer Mühe gelingt es ihm aufzustehen. Und er zittert trotz des Stocks.
    Er ist verkrüppelt.
    »Das haben Sie mir angetan. Sie haben mir in die Beine geschossen. Und beinahe ins Herz. Und Sie
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