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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Marianne de Pierres
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werden ganz schlimm deprimiert. Aber … für immer«, antwortete ein Mädchen, das neben ihr saß. »Es gibt sogar welche, bei denen passiert es erst danach.«
    Der Riper ergriff wieder das Wort. »Wenn wir durch die Spirale hindurch sind, verlasst ihr die Fähre und geht zur Aufnahme. Dort bekommt ihr euren Chip. Anschließend könnt ihr tun und lassen, was euch Spaß macht. Brennt hell! « Der Blick des Ripers wirkte seltsam verständnisvoll.
    » Brennt hell!«, schrie die Menge begeistert zurück.
    Retra blickte zu den kleinen, hoch gelegenen Fenstern. Wie lange würde es wohl dauern, bis sie das nächste Mal die Sonne aufgehen sah? Auf einmal sehnte sie sich nach Tageslicht.
    Doch dann erklang das Summen.
    Die Kabinenlichter erloschen, und das Schiff geriet ins Schaukeln, leicht zuerst, dann immer heftiger, sodass es ihr im Rücken wehtat. Ein Junge fiel in ihren Schoß. Seine roten Locken strichen ihr über den Hals, und er drückte sein sommersprossiges Gesicht frech zwischen ihre Brüste. Als sich die Fähre erneut neigte, fiel er wieder rückwärts, bevor sie reagieren konnte.
    Schützend legte sie die Arme um die Knie. Die Luft war stickig und schwer, während das Morgengrauen ganz plötzlich wieder dunkel wurde. Aus der freudigen Erregung der Menge entstand so etwas wie Furcht.
    »Was ist los?«, rief einer.
    Und ein anderer: »Wir sinken!«
    »Scheiße!«
    Die Schreie machten sie nervös. Sie kauerte sich in der stockdunklen, nach Angst stinkenden Kabine zusammen und schloss die Augen. Joel , sagte sie im Stillen zu sich selbst. Joel . Wenn sie seinen Namen sagte, fühlte sie sich sicherer.
    Als Nächstes drückte etwas sie nieder, so als hätte sich die Schwerkraft geändert. Das Atmen fiel ihr schwer. Die Angstschreie verstummten.
    Dann kam der Schmerz von ihrem Gehorsamkeitsstreifen zurück, schlimmer als je zuvor. Ein reißender Schmerz, der sich von ihrem Oberschenkel die Wirbelsäule hinauf bis zu ihrer Brust brannte. Sie rollte sich zu einer Kugel zusammen, biss sich auf die Zunge, um nicht zu schreien, und bohrte die Nägel in den Oberarm.
    Ihr schien, ihr Kopf wäre auf einmal voll zähflüssigem Schleim, der das Denken unendlich mühsam machte. Und … Getöse … und Musik, aber keine, wie sie sie jemals zuvor gehört hatte. Sie presste die Hände auf die Ohren, um das heftige, schwere Pochen auszusperren, das sie nicht mehr klar denken ließ und sich in ihrem Magen festsetzte. Auf einmal wollte sie, dass der Junge sein Gesicht wieder zwischen ihre Brüste steckte. Sie presste die Hände gegen die Brustwarzen, damit das Gefühl aufhörte. Sie ertrug diese unzüchtigen Gedanken nicht.
    Dann auf einmal ließ der Schmerz nach, die Musik wurde leiser. Die Fähre beruhigte sich, bis sie nur noch sanft schaukelte, und das Licht in der Kabine ging an. Erleichtert schlug Retra die Augen auf. Der Übergang war geschafft.
    Der Riper erhob sich und verharrte inmitten der Körper, das blasse Gesicht ekstatisch erhoben.
    »Willkommen in Ixion.«

3
    Einer nach dem anderen traten sie in die unnatürliche, klebrige Hitze hinaus, Winterflüchtlinge in Stiefeln und Mänteln. Musik wogte durch die Nachtluft heran, und die flatternden Gestalten Tausender Fledermäuse verdeckten teilweise die Sterne. Retra sah zu, wie sich ihr Strom über die Fähre ergoss: wie ein schwarzer Regenbogen vor einer dunklen Leinwand.
    So viele . Ihr feuchter, moschusartiger Geruch war überwältigend. Retra begann zwischen den Beinen und unter den Armen zu schwitzen.
    »Sieh nach vorn«, sagte eine kalte Stimme.
    Retra riss den Blick vom Himmel los und sah zu den Ripern hinüber. Aufmerksam musterten sie alle, die über die Zugbrücke gingen, als wollten sie sich ihre Gesichter merken. Der, der Retra an Bord gezogen hatte, verneigte sich spöttisch, als sie an ihm vorbeikam. Sie wich zurück, erschrocken, dass er sie wiedererkannt hatte.
    Die Brücke führte geradewegs zur Hinterseite eines großen, schmucklosen Gebäudes. Retra versuchte zu erkennen, was dahinter lag, doch das Licht der Scheinwerfer an der Brücke entlang war so hell, dass sie nichts ausmachen konnt e.
    Etwas weiter vor ihr in der Schlange standen Markes und Cal. Er trug einen sperrigen Koffer über der Schulter, vermutlich irgendein Instrument. Retra fragte sich, ob er es gestohlen hatte. Bei den Seals war es nur den Ältesten erlaubt, solche Dinge zu besitzen. Vielleicht handhabte man das in Grave Nord anders.
    Das Paar hatte die Aufnahme fast erreicht. Sie wäre
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