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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition)
Autoren: Eoin McNamee
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weggeworfen.«
    »Toms?«
    »Prostituierte.«
    McCrink war 1959 an den Ermittlungen der ersten Fälle beteiligt gewesen, die später als Londoner Nackt-Morde bekannt geworden waren, Morde an acht Prostituierten. Die Leiche der einundzwanzigjährigen Elizabeth Figg, auch bekannt als Ann Phillips, war in Duke Meadows in Chiswik gefunden worden. McCrink war mit ins Leichenschauhaus gekommen. Ein Labortechniker hatte ihr die Augen mit Streichhölzern geöffnet, damit sie für die Spätausgabe des Star fotografiert werden konnte. Sie wurde aufgrund dieser Aufnahme identifiziert.
    Das Foto war am folgenden Tag abgedruckt worden, prominent platziert in den Morgenausgaben von Daily Mail, Mirror und Express. Elizabeth sieht nicht tot aus auf dem Bild. Sie wirkt nachdenklich. Als hätte sie etwas gesehen, das sich außerhalb des Bildes befindet, etwas, das ihr erlaubt, eine kleine Pause zu machen.
    In ihrem Blick liegt ironische Belustigung.
    Die Kray-Brüder und die Londoner Nackt-Morde. Morde im Milieu des organisierten Verbrechens, Kuppeleien in Hinterhöfen. Reggie oder Ronnie Kray in Straßenanzügen. Ein gesellschaftliches Klima, das sich für die nächste Dekade auf Dauerregen eingestellt zu haben scheint.
    Pearls nackte Überreste, hingeschlachtet, auf einem abgeholzten Hügel, schienen düstere Zeiten in das Leben der Menschen zu tragen, das Durcheinander weit entfernter, ausufernder Städte hatte sie erreicht. Weir’s Rock und das Stoppelfeld gehörten jetzt auch zu den toten Landschaften, in denen Leichen abgelegt wurden, genau wie anrüchige Parks, Aschengruben und Kanalufer.
    »Also in etwa das Gleiche«, sagte Speers.
    »Ja und nein.«
    Der Londoner Nackt-Mörder hatte nur gerade so viel Gewalt angewendet, um die Luftröhren der Mädchen einzudrücken, sie sanft nach unten zu ziehen und vom Elend ihres Lebens zu erlösen, den Diebstählen, der Zuhälterei, der Existenz am Abgrund. McCrink suchte nach Ähnlichkeiten. Pearls Leiche, halb versteckt hinter Büschen auf dem steinigen Hochland über der Stadt, am Kopfende des Meeresarmes. Kohlerauch hält die Szene verborgen wie Miasmen aus finsteren Absichten.
    »Wer war die Band?«
    »Eine Truppe namens Ray Tones. Aus der Stadt.«
    Die Ray Tones. McCrink fragte sich, was diese Band in der Halle des Oranier-Ordens verloren hatte, in der sonst Countryund Gospelsänger auftraten, Männer, deren freudloser Blick auf die Ewigkeit gerichtet war. Er hatte Fotos der Ray Tones im Reporter gesehen. Die Band trug spitze Stiefeletten und enge Hosen. Er stellte sich vor, wie sie in der Hallentür standen und vorsichtig Ausschau hielten, als wäre die Nacht voller Bauernmörder, voller Inzucht und Totschlag.
    »Dafür werden wir die Reporter aus der Stadt hier haben«, sagte Johnston.
    »Dafür werden wir Reporter von überall her hier haben«, sagte Speers, »die werden für die Todesstrafe plädieren. Für den, der das getan hat, bedeutet das den Strick.«
    »Wo sie gefunden wurde, gab es sehr wenig Blut«, sagte McCrink.
    »Hier gar keins«, sagte Johnston, »aber ich hab massenhaft Blut für Sie, wenn Sie’s haben wollen.«
    »Was wissen wir über sie?«
    »Das Mädchen heißt Pearl Gamble. Arbeitet in Foster Newell’s Warenhaus in der Stadt. Ist gestern Nacht nicht nach Hause gekommen.«
    Die zwei Männer wussten, was von ihnen erwartet wurde. Sie mussten wachsam sein, offen für Entdeckungen. Es gab neue Ermittlungsmethoden. Es gab Labore, in denen mikroskopisch kleine Spuren von Fleisch und anderen Substanzen untersucht wurden.
    Die Leiche war am Morgen gefunden, aber erst abends wegtransportiert worden, in die Nacht entführt von einem Leichenwagen, wie die Leichen aus dem nahe gelegenen Armenhaus. Sie wurde durch Newry gefahren, und die Bewohner des Ortes traten in die Dunkelheit hinaus, um den Leichenwagen zu sehen und sich die makabre Szene einzuprägen – der schwarze Wagen, der mit dem verbeulten Stahlsarg durch die regennassen Straßen gleitet.
    Ein einzelner Polizeibeamter blieb zurück, um den Schauplatz des Mordes zu bewachen. Die Schatten von Wolken, die über die Moorlandschaft trieben. Ein Ort nächtlicher Berauschung der von Gott Verlassenen, in ihrer Enthemmtheit sind sie der Nacht nackt ausgesetzt.
    »Wir fahren ins Leichenschauhaus, damit du sie dir ansehen kannst«, sagte Speers.
    Die Nase schien gebrochen zu sein, die Zunge hing ihr aus dem Mund, als hätte sie die Art ihres Todes zu einer letzten Hemmungslosigkeit gezwungen. Um die Nasenscheidewand
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