Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition)
Autoren: Eoin McNamee
Vom Netzwerk:
und Pearl hatte nicht nach ihm gefragt. Ronnie bekam manchmal Wutanfälle. Sie konnte ausflippen und grausame Dinge sagen, darum wollte Pearl sie nicht reizen. Anfang der Woche hatten sie bei Falloni’s ein Eis gegessen, und Pearl hatte Ronnie zur Toilette begleitet. Ronnie hatte sich in einer der Kabine eingeschlossen und sich übergeben.
    »Bist du etwa schwanger?«, fragte Pearl.
    »Das geht dich nichts an«, antwortete Ronnie, »ich hab wenigstens keinen Eisblock zwischen den Beinen, Fräulein Frigide.«
    Danach war Ronnie Pearl auf der Straße nachgelaufen, um sich bei ihr zu entschuldigen. Sie hatte ausgesehen, als würde sie jeden Moment zu weinen anfangen.
    »Ich weiß nicht, was über mich kam«, sagte sie, »meine große Klappe.«
    »Ich hasse dieses Wort«, sagte Pearl.
    Als jemand das Wort in der Schule zu ihr gesagt hatte, hatte sie es in der Bibliothek nachgeschlagen. Gefroren oder steif vor Kälte; eiskalt; (über eine Frau) sexuell unempfänglich.
    »’türlich bist du’s nicht«, sagte Ronnie, »du bist eben einfach keine Schlampe wie ich. Die Nutte der Stadt. Du hast Selbstachtung, Pearl. Gib mir zehn Jahre, dann werd ich bei den Schleusentoren auf irgendwelche großen russischen Frachter warten. Hallo Ivan, gib uns ein paar deiner Rubel, dann halt ich dich schön warm.«
    Ronnie wusste genau, wie sie Pearl zum Lachen brachte. Und da Pearl wusste, dass ihre Freundin nicht böswillig war, ging sie mit Ronnie Arm in Arm die Straße hinunter, auch wenn das Wort zwischen ihnen stand.
    Ronnie hatte bewundernd gepfiffen, als sie gesehen hatte, wie Pearl für den Tanz angezogen war.
    »Du siehst aus wie eine aus dem Kino, Pearl«, hatte Ronnie gesagt, »die werden mich heut Nacht keines Blickes würdigen. Du siehst aus, als würdest du das Orchid Blue ansteuern. Allerdings wirst du Probleme bekommen, wenn du in dem Rock tanzen willst. Wenn der Saum aufgeht, dann pass auf, Mutter, weil sie dich nämlich bis oben hin zu sehen bekommen!«
    Diese Pearl hatte Ronnie noch nie gesehen. Sie wirkte erfahren, kühl und kunstvoll. Die Leute machten Platz für sie, als sie auf den Halleneingang des Oranier-Ordens zugingen, vor dem sich die jungen Männer der Stadt versammelten. Als sie bei der Halle ankamen, spielte die Band bereits, und Ronnie fing an, für sich zu tanzen, während sie in der Schlange anstanden.
    William Eglington. Joseph Clydesdale. Special Constable William Quinn. Die aufgeführten Namen wirkten bereits so formell wie auf einer Zeugenliste. Es war 22 Uhr 30.
    Robert und Will Copeland trafen um 23 Uhr 30 bei der Halle ein. Gemäß seiner Aussage trug Robert eine Windjacke. Was er darunter anhatte, ist unmöglich zu sagen in der verqualmten Luft der Halle. Auf dem Weg dorthin packte Robert Joan Donergan und schwang sie herum. Die Chronologie der Nacht beginnt.
    Roberts erster Tanz war Damenwahl. Hannah Taylor, eines der Tennismädchen, dessen Vater Schiffsmakler war, tanzte mit ihm. Sie sah sich nach ihren Freundinnen um, während sie zu Robert hinüberging. Sie grüßten sie mit kleinen, gefühllosen Handzeichen. Hannah hatte große Hände und Füße, und Robert wusste, dass sie beim Tanzen eine gute Figur machen würde. Leute, die sie beobachteten, sahen, wie sie ihre körperliche Ungeschicklichkeit überwand, nach Anmut strebte. Die Band mischte Walzer und Jive. Sie verstanden die Zeit, in der sie lebten, die Leichtigkeit, die verlangt war, und sie beugten sich über ihre Instrumente.
    Robert tanzte sechs Mal mit Joan Donergan, aber er muss Pearl bemerkt haben. Sie stach heraus in jener Nacht, die Leute starrten sie an, überrascht, wenn sie mit jungen Männern zu Swing tanzte, als sollte sie etwas Asiatisches aufführen, einen Tempeltanz mit gesenktem Blick, ein Schatten auf dem Bildschirm.
    Zuerst tanzte Pearl Jive mit Robert.
    »Du bist also der große Tänzer«, sagte sie.
    In ihren Augen war eine glanzlose Herausforderung zu erkennen.
    »Du musst deine Finger höher legen«, sagte Robert, »auf meine Schultern, los, bieg deinen Ellbogen.«
    Sie konnte seine Hand auf ihrem Rücken spüren, über ihrem Rockbund. Robert bewegte sie über die zersprungene Tanzfläche, drei Takte bis hinüber zur Bar, er schob sie zurück in die Zeiten der alten Filme, zu Fred Astaire und Busby Berkeley, er bewegte sich irgendwie schiebend, locker und gekonnt, dagegen sahen alle anderen auf der Tanzfläche steif und förmlich aus.
    Später ging Robert zur Band, um sich einen Song zu wünschen, und bis er wieder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher