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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition)
Autoren: Eoin McNamee
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Himmel zeigen, in Richtung der einsamen Umlaufbahn, dem Stimmengewirr der Welt, das gesammelt und ans Ende des Alls gerichtet wird, hinaus in den Meteoritenstaub.
    Am Ende führt die Straße nicht weiter. Die Straße nimmt eine Linksbiegung, dann führt eine Kastenträgerbrücke über den von Unkraut bedrängten Fluss. Die Straße ist durch vier große Betonblöcke versperrt, das andere Ende der Brücke mit einem verwilderten Graswall blockiert. Hinter dem Wall senkt sich das Land ab und das Auge befindet sich auf gleicher Höhe mit den glänzenden Dächern eines Industriegebietes. Dann steigt das Gelände wieder an, und man sieht das Einkaufszentrum, den Verkehrskreisel und die Umfahrung. Der Weg zum Weir’s Rock ist durch irgendwelche Gebäude des nachindustriellen Zeitalters versperrt, und dennoch ahnt man die schmalen Pfade, auf denen Pearl Gamble damals nach Hause ging. Ein steiler, von Stoppeln bedeckter Hügel erhebt sich hinter den Häusern.
    Ende der sechziger Jahre hatte Newry und seine Umgebung die höchste Arbeitslosenrate Westeuropas. Sie war unglaublich hoch, und der wirtschaftliche Zusammenbruch hatte insgesamt etwas von der amerikanischen Wirtschaftskrise in den Dreißigerjahren. Kolonnen schlurfender, deprimierter Männer vor Arbeitsämtern aus Backstein.
    Die Polizei hatte von Anfang entschieden, dass Robert Pearl getötet hatte. Er hatte in jener Nacht mit ihr getanzt, hatte die Band gebeten, It’s Now or Never zu spielen. Niemand hatte gesehen, wie er die Tanzhalle verließ. Es waren keine anderen Möglichkeiten in Erwägung gezogen worden. Roberts Haltung machte die Sache nicht besser. Als Reaktion auf die intensive Polizeiüberwachung hatte er zugelassen, dass ein Hauch bösartiger Albernheit über seiner Person schwebte. Er führte die Beamten durch die Stadt, verspottete sie.
    Robert McCartney, Juniorpartner eines Anwaltsbüros, saß während des ganzen Prozesses im Publikum. Er wies darauf hin, dass das Gesetz in England geändert die Todesstrafe in nahezu allen Fällen abgelehnt worden sei. Wäre Robert McGladdery in England angeklagt und für schuldig befunden worden, hätte man die Todesstrafe nicht über ihn verhängt. Doch obwohl die Beweise gegen den Angeklagten auf Indizien beruhten, habe es keine Beweise gegeben, die auf seine Unschuld hinwiesen.
    In einem Interview Jahre später sagte der Geschworene Jack Landelis, er sei dafür, die »Todesstrafe umgehend wieder einzuführen«.
    Am Strand von Warrenpoint schwimmt niemand. Es hat Versuche gegeben, Sand herzubringen, um einen Strand zu schaffen, aber die Gezeiten haben ihn weggespült. Die Badeanstalt schloss in den späten Siebzigerjahren. Zwanzig Jahre später ist sie als Zentrum für Wassersport wiedereröffnet worden. Mehrere Jahre lang paddelten Windsurfer in Neoprenanzügen im Windschatten der Bäder den Wellen entgegen, Silhouetten, die sich in den Wind lehnten. Die Surfer verschwanden wieder, als das Wassersportzentrum schloss. Die Farbe blättert von den Wänden, die Eisengeländer rosten. Der Kiosk am Eingang, der an eine Pagode erinnert, ist leer. Die Fähre nach Heysham passiert den Kanal jede Nacht, keine hundert Meter vom Ufer entfernt, ihre Schrauben wühlen den Schlamm am Meeresgrund auf, das Kielwasser klatscht gegen die Wände der Schwimmbecken, ein ozeanisches Rumpeln im Fundament der Bäder, die Klänge der tiefen See.
    Das Zentrum der Stadt wird durch die Kräne und Industriebauten der Hafenanlagen dominiert. Die Promenade wird gesäumt von zerfallenden Küstengebäuden. Das Victoria-Hotel. Das Liverpool. Das Marine Tavern. Warrenpoint war einst ein Transithafen. Passagiere reisten von hier nach Liverpool, wo sie auf Linienschiffe umstiegen, um den Ozean nach New York oder Boston zu überqueren. Auswanderer, die auf das Auslaufen ihres Schiffes warten. An der Promenade stehen Gebäude mit seltsamen Türmen, Gotik am Meeresufer, bröckelnde viktorianische Chinoiserie.
    Auf den Straßen sind Osteuropäer, die mit Schiffen gekommen sind, kleingewachsene dunkelhäutige Männer, die heruntergekommen wirken. Man sieht Schiffe aus Riga und Gdansk und den großen nördlichen Häfen. In der Luft hängt ein baltischer Hauch.
    Die Stadt versucht immer wieder, vornehm zu werden, doch rund um die Imbissstuben, Friar Tucks und Country Fried Chickens bleibt sie schäbig. Junge Männer aus Kilkeel, Rostrevor und Barcroft vagabundieren als plündernde Banden durch die Nacht.
    Im Sommer ziehen die Vergnügungsarkaden weiterhin
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