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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia
Autoren: Thomas Thiemeyer
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schlagend zwischen die Helfer fiel. Sie ahnen nicht, wie schnell ein Krokodil sein kann. Ich war noch nicht mal dazu gekommen, mein Gewehr zu entsichern, da hatte es schon drei meiner Männer getötet. Danach verschwand es, eine Blutspur hinter sich herziehend, im brackigen Fluss.« Maloney nahm den letzten Schluck aus seinem Glas und ließ sich von Aston nachschenken.
    »Und wie haben Sie es schließlich gefangen?«, fragte ich.
    »Vier Tage hat das gedauert«, sagte er. »Jede Nacht kam das Vieh aus dem Wasser, um sich einen von uns zu holen. In der zweiten Nacht drang es sogar in eines unserer Zelte ein und schnappte sich den Koch.« Er gab ein trockenes Lachen von sich.
    »Weshalb haben Sie nicht das Lager gewechselt oder die Jagd aufgegeben?«
    Maloney sah mich an, als verstünde er nicht, wovon ich redete. »Am dritten Tag verließen uns die Helfer«, fuhr er fort. »Sie sagten, wir hätten den Mowuata, den Gott des Wassers erzürnt, und sie könnten uns nicht mehr unterstützen. Also haben Sixpence und ich Posten am Ufer bezogen und gewartet. Und das Krokodil hat auch gewartet, vierzig Meter von uns entfernt im Wasser. Wir konnten seine Augen sehen, die bösartig zu uns herüberschielten, Tag und Nacht. Haben Sie schon einmal einem Krokodil in die Augen gesehen, wenn es Jagd auf Sie macht, Mr. Astbury? Es hat absolut reglose Augen, wie die Augen eines Toten. Ich sage Ihnen, es gibt nichts Vergleichbares auf dieser Welt. Weder Sixpence noch ich schliefen in dieser Zeit. Die Gefahr, dass einer von uns unaufmerksam wurde, während der andere ruhte, war zu groß. Sechsunddreißig Stunden saßen wir dem Krokodil gegenüber und warteten. Es war der härteste Nervenkrieg, den ich jemals ausgefochten habe. Am Morgen des vierten Tages nach unserer Ankunft kam das Monstrum dann endlich aus dem Wasser. Langsam und gemächlich. Es machte keine Anstalten, uns anzugreifen oder zu fliehen. Es stand einfach nur da, mit hängendem Kopf und ließ sich von uns betrachten. Zuerst vermuteten wir, dass es ein Trick war. Krokodile können sehr verschlagen sein, aber in diesem Fall war es etwas anderes. Seine gesamte Erscheinung zeugte davon, dass es Frieden mit uns schließen wollte. Es respektierte uns, weil wir keine Angst vor ihm hatten.«
    »Für ein Krokodil ein sehr ungewöhnliches Verhalten, finden Sie nicht?«, streute ich ein und verfluchte im selben Augenblick mein vorlautes Mundwerk.
    »Warum?« Maloney rutschte auf seinem Sessel nach vorn und wirkte auf einmal wie ein Raubtier, bereit zum Sprung. Alle blickten mich erwartungsvoll an. Jetzt hatte ich den Salat.
    »Nun ja, ich habe noch nie davon gehört, dass ein Krokodil zu einer solchen, sagen wir mal, menschlichen Regung fähig ist. Krokodile sind eigentlich recht dumm. Begriffe wie Frieden oder Respekt haben im Leben eines Krokodils keine Bedeutung«, fügte ich hinzu.
    »Wenn Sie das sagen.« Maloney schenkte mir ein kaltes Lächeln.
    »Wie auch immer …«, sagte ich, um dem Jägerlatein endlich ein Ende zu bereiten und die unangenehme Situation zu umspielen, »… dann konnten Sie es betäuben, einfangen und die halbe Million kassieren.«
    »Nein.« Maloneys Augen trafen mich mit einer Härte, dass es mir kalt den Rücken herunterlief. »Ich habe es getötet. Mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe. Sein Schädel hängt heute in meinem Haus in Leigh Creek. Sie können ihn dort besichtigen, wenn Sie mal in der Gegend sind.«
     
    *
     
    Die Standuhr im Zimmer schlug viertel vor sieben, als ich die Kraft fand, aufzustehen und mich fürs Dinner zurechtzumachen. Die Reise hatte mich doch stärker mitgenommen, als ich gedacht hatte, und ich spürte, dass es noch Tage dauern würde, bis ich die Zeitverschiebung überwunden hatte. Andererseits hatte mich der Besuch innerlich sehr aufgewühlt. Ich konnte mir immer noch keinen Reim darauf machen, warum ich eigentlich hier war. Hillers knappe Information über Emily, Lady Palmbridges rätselhafte Andeutungen, und nicht zuletzt die Anwesenheit von Maloney und Sixpence warfen viele Fragen auf. Eines war klar: Maloney und ich konnten uns nicht riechen, das war von der ersten Sekunde an zu spüren gewesen. Seine freundliche Schale verbarg einen knallharten Killer. Ich konnte nur hoffen, dass die Lady nicht die Hoffnung hegte, ich würde mich mit diesem Schlächter anfreunden. In mir sträubte sich alles, als ich an die Geschichte mit dem Krokodil dachte. Was war das für ein Mann, der eine Prämie von einer halben Million
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