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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Köstliches einfallen lassen.«
    »Ich bin hungrig wie ein Bär«, lachte Maloney und winkte ab, als ihm Aston einen Sherry anbot. »Nicht für mich, mein Freund, vielen Dank«, sagte er zu dem Butler, der bereits eingeschenkt hatte und vor Erstaunen über die Abweisung die Augenbrauen hochzog. »Ich wäre gern noch nüchtern, wenn wir den Grund für unsere Einladung erfahren. Mein Kompliment, Lady Palmbridge, die Zimmer sind fantastisch. Ich hatte mir nicht träumen lassen, dass ich mich in unmittelbarer Nähe zum Meer so wohl fühlen könnte. Wo ich doch eine alte Landratte bin.«
    »Wo genau liegt eigentlich Leigh Creek?«, hakte ich nach.
    »Im Süden, am Fuße des North Flinders Range.« Als er mein ausdrucksloses Gesicht sah, fragte er: »Wissen Sie, wo Adelaide liegt?«
    »So ungefähr.«
    »Leigh Creek befindet sich etwa dreihundert Meilen nördlich davon. Eine wilde, unberührte Gegend. Mit sanften Hügeln, dichten Wäldern und fischreichen Flüssen. Dahinter beginnt das Outback, die große endlose Leere …«
    »Euch mag es ja leer erscheinen«, warf Sixpence ein, »aber für uns ist es voller Träume und Erinnerungen.«
    »Dann kennen Sie die alten Geschichten?«, fragte ich und fügte erläuternd hinzu: »Ich habe Bruce Chatwins Traumpfade gelesen und muss gestehen, dass ich seither fasziniert davon bin.«
    Sixpence ließ seine weißen Zähne aufblitzen. »Jeder Abo kennt diese Geschichten. Wir tragen sie in uns.«
    »Woher stammt eigentlich Ihr Name?«, fragte ich ihn. »Er ist ungewöhnlich, finde ich.«
    Sixpence lächelte, doch irgendetwas in seinem Gesicht sagte mir, dass das Thema ihn belastete. »Das ist der Preis, für den meine Mutter mich an die Maloneys verkauft hat«, antwortete er. »Sechs Pennys und eine Flasche Whisky, dass war alles, was Stewarts Vater im Handschuhfach des Wagens hatte, doch das hatte für den Deal gereicht. Wahrscheinlich hätte sogar nur die Flasche gereicht, aber ich bin dankbar, dass er noch etwas Kleingeld dabeihatte, sonst würde ich heute Whisky heißen. Ich war damals noch ein Baby und meine Mutter Alkoholikerin. Wie so viele meines Volkes«, fügte er mit einem Achselzucken hinzu.
    »Eine traurige Geschichte«, ergänzte Maloney und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Ich war noch ein Dreikäsehoch, keine acht Jahre alt, als mein Vater ihn von den Feldern mitbrachte«, sagte er. »Ich war damals ein Außenseiter in der Familie. Die Schafzucht interessierte mich einen Dreck, und ich hatte mich von meinen Eltern und Geschwistern isoliert. Doch in Sixpence entdeckte ich eine verwandte Seele. Ich kümmerte mich um ihn wie um einen Bruder. Er wurde mein bester Freund und ständiger Begleiter. Heute wüsste ich nicht, was ich ohne ihn täte.« Er lächelte ihm freundschaftlich zu. Ich wunderte mich, wie offenherzig Maloney über seine Vergangenheit sprach. Diese Ehrlichkeit und seine tiefe Verbundenheit zu dem Aborigine ließen ihn auf einmal in einem anderen Licht erscheinen.
    Während Sixpence dem Butler das Sherryglas abnahm, das dieser immer noch ratlos in der Hand hielt, wies Maloney auf die Waffen. »Eine hübsche Sammlung haben Sie da, Mylady«, konstatierte er mit fachkundigem Auge. »Besonders diese Muskete hat es mir angetan. Eine echte Enfield, Kaliber 16,5 mm, nicht wahr? Haben Sie damit gejagt?«
    »Wo denken Sie hin!«, antwortete sie. »In meiner Jugend war ich zwar an einigen Fuchsjagden beteiligt, aber das war’s auch schon. Ich und mein Mann waren immer bestrebt, Leben zu schaffen, statt es auszulöschen. Trotzdem hege ich eine gewisse sentimentale Neigung zu diesen Waffen. Sie erinnern mich, wie so vieles in diesem Haus, an meine Heimat.«
    »Dann erübrigt sich wohl die Frage, ob ich Ihnen die Enfield abkaufen kann.«
    In diesem Moment läutete Aston die Glocke.
    »Es ist serviert.«

4
    Das Dinner war vorzüglich. Miranda, eine Frau, der man ansah, dass sie auch selbst mochte, was sie am Herd zauberte , hatte ein wunderbares Menü zusammengestellt. Einer getrüffelten Gänseleber und einer geeisten Gurkensuppe waren ein Babysteinbutt auf chinesischem Gemüse sowie eine gefüllte Lammkeule mit grünem Spargel gefolgt. Begleitet wurden diese Delikatessen von exquisiten französischen Weiß- und Rotweinen, die ich bisher nur vom Hörensagen kannte. Als ich schon glaubte, keinen Bissen mehr essen zu können, fuhr Miranda einen Schokoladenfächer mit Orangeneonfit auf, zu dem ein vollmundiger Tokajer gereicht wurde.
    Es war Jahre her, dass
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