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Replay - Das zweite Spiel

Titel: Replay - Das zweite Spiel
Autoren: Ken Grimwood
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hätte sagen können; es wäre der Gipfel der Grausamkeit gewesen, ihr zu sagen, was er wusste, nämlich dass dies der letzte Tag war, an dem sie zusammen sein würden. Am kommenden Dienstag, in fünf Tagen, würde die Welt für sie beide für immer zu Ende gehen.
    »Du scheinst aber nicht sonderlich begeistert zu sein«, sagte sie stirnrunzelnd.
    Jeff setzte ein Lächeln auf, versuchte seinen Kummer und seine Angst zu verbergen. Wie sie sich in ihrem unschuldigen Vertrauen an die Jahre klammerte, die sie glaubte noch erleben zu können … jetzt, kurz vor dem Ende, war das größte Geschenk, das er ihr machen konnte, eine Lüge.
    »Nein, es ist wunderbar«, sagte er mit gespielter Begeisterung. »Ich bin bloß überrascht, das ist alles. Wir können fliegen, wohin du nur willst. Überallhin. Nach Barbados, Acapulco, zu den Bahamas - du entscheidest.«
    »Ist mir gleich«, erwiderte sie und kuschelte sich an ihn. »Solange es nur warm ist und ruhig und ich bei dir bin.«
    Wenn er etwas gesagt hätte, das wusste er, hätte seine Stimme zu sehr geschwankt. Stattdessen küsste er sie, legte seinen ganzen Schmerz in einen letzten körperlichen Ausdruck all dessen, was er je für sie empfunden hatte, was sie je …
    Plötzlich stöhnte sie auf und fiel schlaff gegen ihn. Er fasste sie bei den Schultern, hielt sie fest, damit sie nicht zu Boden sank.
    »Pamela? Mein Gott, nein, was …«
    Sie gewann die Balance zurück, wandte ihm das Gesicht zu und musterte ihn entgeistert. »Jeff? 0 mein Gott, Jeff…«
    Auf einmal war alles wieder da, in ihren geweiteten Augen: Verstehen, Wiedererkennen, Sich-Erinnern. Das gesamte Wissen und der Schmerz aus acht verschiedenen Leben überschwemmten ihr Gesicht, während sich vor Verwirrung ihr Mund verzerrte.
    Sie blickte umher, sah den Park, die Skyline von New York. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, suchten wieder Jeffs Blick.
    »Ich war … es sollte alles vorbei sein!«
    »Pamela…«
    »Welches Jahr haben wir? Wie viel Zeit bleibt uns noch?«
    Er konnte es ihr nicht vorenthalten, sie musste es erfahren. »Es ist 1988.«
    Sie sah die Bäume an, die umherwirbelnden kupferfarbenen Blätter. »Es ist schon Herbst!«
    Er streichelte ihr über das windzerzauste Haar, wünschte, die Wahrheit einen Augenblick lang hinauszögern zu können. »Oktober«, sagte er sanft. »Der dreizehnte.«
    »Dann sind es … dann sind es nur noch fünf Tage!«
    »Ja.«
    »Das ist nicht fair«, schluchzte sie. »Letztes Mal hatte ich mich vorbereitet, mich fast abgefunden …« Sie brach ab, sah ihn verwirrt an. »Was tun wir hier zusammen?«
    »Ich … ich musste dich sehen.«
    »Du hast mich geküsst«, sagte sie vorwurfsvoll. »Du hast sie geküsst, die Person, die ich früher einmal war.«
    »Pamela, ich dachte…«
    »Es ist mir egal, was du dachtest.« Sie wich einige Schritte vor ihm zurück. »Du wusstest, dass das eine andere Person war als ich! Wie konntest du etwas so … so Perverses tun?«
    »Aber das warst doch du«, beharrte er. »Nicht mit all den Erinnerungen, nein, aber du warst es, wir sind immer noch…«
    »Ich kann nicht glauben, was du da sagst. Wie lange geht das schon so, wann hast du damit angefangen?«
    »Jetzt sind es fast zwei Jahre.«
    »Zwei Jahre! Du hast mich … benutzt, als wäre ich eine Art lebloser Gegenstand, als …«
    »So war es nicht, überhaupt nicht! Wir haben einander geliebt, du hast gerade wieder angefangen zu malen, hast Vorlesungen besucht…«
    »Es ist mir egal, was ich gemacht habe. Du hast mich von meiner Familie weggelockt, mich überlistet… und du hast genau gewusst, was du tatest, welche Saiten du anschlagen musstest, um mich zu beeinflussen, um mich … fügsam zu machen!«
    »Pamela, bitte.« Er fasste sie beim Arm, versuchte sie zu beruhigen, sich ihr verständlich zu machen. »Du verdrehst alles, du bist…«
    »Rühr mich nicht an«, schrie sie und wich noch weiter zurück, drehte sich um und lief von der Brücke, auf der sie sich vor wenigen Augenblicken noch innig umarmt hatten. »Lass mich einfach in Ruhe sterben! Lass uns beide sterben, damit wir’s endlich hinter uns haben!«
    Jeff versuchte sie festzuhalten, aber sie rannte davon, war verschwunden, ehe er sich aus seiner Benommenheit lösen konnte. Die letzte Hoffnung seines letzten Lebens war verschwunden, verloren auf dem Weg zur Siebenundsiebzigsten Straße, die in die anonyme, alles verschlingende Stadt führte … in den Tod, in den unabänderlichen und sicheren Tod.

21
    J eff
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