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Renegade

Renegade

Titel: Renegade
Autoren: J. A. Souders
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verschwunden ist. »Ich bin hier
sicher«, erkläre ich, richte mich auf und halte den Kopf hoch. »Schließlich
gibt es nur einen Ein- und Ausgang, und der wird von euch bewacht.« Ich achte
darauf, klar und deutlich zu sprechen, damit der junge Mann mich in seinem
Versteck verstehen kann. »Und ich würde gerne mit der Gartenarbeit fortfahren,
es dauert auch nicht lange.«
    Die Wachen wechseln
unsichere Blicke. Wahrscheinlich würden sie gerne ihre Einwände gegen mich
vorbringen, doch als das beim letzten Mal geschehen ist, hat Mutter das nicht
besonders positiv aufgenommen. Schließlich nicken sie nur und kehren auf ihren
Posten an der Tür zurück.
    Ich schlendere durch
meinen Garten und tue so, als wäre ich voll darauf konzentriert, trockene
Blüten von den Pflanzen zu zupfen – dabei suche ich eigentlich nur nach dem
Jungen und halte gleichzeitig nach Vollstreckerinnen Ausschau. Normalerweise
kommen sie nicht in meinen Garten, aber ich möchte kein Risiko eingehen.
    Leise summend
wandere ich herum und hoffe, dass mögliche Zuschauer nichts Ungewöhnliches an
meinem Verhalten bemerken. Die Leute sind daran gewöhnt, dass ich mich seltsam
benehme, aber ich kann nicht sicher sein, wie genau man mich beobachtet.
    Nie hätte ich
gedacht, dass mein … Zustand einmal nützlich sein könnte.
    Schließlich entdecke
ich den Fremden unter dem Tisch, an dem ich immer die Blumen zurechtschneide.
Er hält meine Schere umklammert und starrt mich finster an. Mein Magen
verkrampft sich, immerhin ist er jetzt ein bewaffneter Oberflächenbewohner,
aber ich lasse mir nicht anmerken, wie nervös er mich macht. Er zittert,
allerdings glaube ich nicht, dass Angst der Grund dafür ist. Er wirkt nicht
ängstlich, sondern krank. Seine Haut ist bleich und wächsern, die Haare sind
strähnig und fallen ihm in die geröteten Augen. Aber er ist stark. Durch sein
Shirt, das ebenso wie seine Hose zerrissen und schlammverschmiert ist, zeichnen
sich die Muskeln an seinem Oberkörper ab. Dunkelrote Spritzer ziehen sich über
den Stoff, und ich meine, etwas Metallisches zu riechen.
    Eine Erinnerung
drängt sich mir auf.
    Er
stirbt, und das ist meine Schuld. Weil ich zu leichtfertig war … Er ringt um
Luft, und das Blut fließt ebenso schnell aus seinem Mund wie aus seinen Wunden .
    Wie zum Schutz
kreuze ich die Arme vor der Brust und werfe den Kopf hin und her, um die
Erinnerung zu verdrängen. Später werde ich versuchen, aus ihr schlau zu werden.
Jetzt muss ich erst mal herausfinden, was ich mit diesem Oberflächenbewohner
anstellen soll.
    Vorsichtig gehe ich
in die Knie, ohne ihm dabei zu nahe zu kommen. Ganz offensichtlich stammt er
tatsächlich von der Oberfläche und ist damit unberechenbar.
    Â»Hallo«, sage ich
leise. »Ich werde dir nichts tun.«
    Er weicht vor mir
zurück und kneift die Augen zusammen, dann verlagert er sein Gewicht und spannt
die Beinmuskulatur an. Offenbar bringt er sich in die richtige Position, um
wieder weglaufen zu können.
    Â»Klar doch.« Seine
Stimme ist rau, als hätte er zu viel Salzwasser geschluckt.
    Ich versuche es noch
einmal, diesmal mit einem Lächeln –
die beste Waffe einer Frau ist ihr Lächeln, es sei denn, sie
hat eine geladene Kanone zur Hand.
Was für ein seltsamer Gedanke.
»Ich verstehe natürlich, dass du mir nicht traust. Du kennst mich nicht, aber
ich versichere dir, dass ich dir nichts Böses will. Mein Name ist Evelyn
Winters, ich bin die Tochter des Volkes.«
    Â»Gavin Hunter«,
erwidert er vorsichtig.
    Diesmal ist mein
Lächeln aufrichtig. Er blinzelt, als wäre er überrascht.
    Â»Gavin also. Es
freut mich, dich kennenzulernen.«
    Erst reißt er die
Augen auf, dann kneift er sie wieder misstrauisch zusammen, aber jetzt sehe ich
noch eine andere Regung in seiner Miene. Hoffnung vielleicht? Er streicht sich
die Haare aus dem Gesicht, wodurch ich seine Augen besser sehen kann. Seine
Pupillen sind so stark geweitet, dass seine Augenfarbe nur schwer zu erkennen
ist, doch seine Iris ist grau. Solche Augen habe ich noch nie gesehen.
    Â»Ich bin mir nicht
sicher, ob ich das auch von mir behaupten kann.« Sogar seine Stimme klingt
fremdartig. Er spricht mit Akzent, allerdings hat Mutter mir nicht genug über
die verschiedenen Klangfärbungen beigebracht, als dass ich davon ableiten
könnte, woher er kommt. Es klingt gedehnt und träge, und
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