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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama
Autoren: Arthur C. Clarke
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Landung seines fünftausend Tonnen schweren Raumschiffs im Zentrum einer rotierenden Scheibe war die geringste Sorge, mit der Commander Norton sich herumschlug. Es war nicht komplizierter, als auf der Achse einer großen Raumstation anzudocken. Die Seitentriebwerke der Endeavour hatten sie bereits in die gleiche Rotation wie Rama versetzt, und er konnte sich völlig darauf verlassen, dass sein Leutnant Joe Calvert das Schiff so sanft wie eine Schneeflocke aufsetzen würde. Mit oder ohne Navigationscomputer.
    Joe ließ den Bildschirm nicht aus den Augen, als er sagte: »In drei Minuten werden wir wissen, ob das Ding aus Antimaterie gemacht ist.«
    Norton musste grinsen. Er erinnerte sich an ein paar jener Gruseltheorien, die man über den Ursprung Ramas aufgestellt hatte. Wenn diese unwahrscheinlichen Spekulationen zuträfen, dann würde es in ein paar Sekunden den größten Knall seit der Entstehung des Sonnensystems geben. Die völlige Vernichtung von zehntausend Tonnen würde, schlicht gesagt, den Planeten eine neue Sonne schenken.
    Doch im Computerprofil ihres Auftrags war auch diese ausgefallene Möglichkeit berücksichtigt worden. Die Endeavour hatte aus sicheren tausend Kilometern Entfernung aus einem der Triebwerke einen kurzen Strahl auf Rama losgelassen. Es geschah überhaupt nichts, als die quellende Dampfwolke ihr Ziel erreichte. Eine Materie-Antimaterie-Reaktion von auch nur ein paar Milligramm würde aber ein fürchterliches Feuerwerk bewirkt haben.
    Norton war wie alle Kommandanten eines Raumschiffs ein vorsichtiger Mann. Er hatte sich die Nordansicht Ramas lange und eingehend angesehen, um den Landepunkt zu wählen. Nach sorgfältigen Überlegungen hatte er beschlossen, den naheliegenden Punkt zu vermeiden: das genaue Zentrum auf der Achse. Auf der Polachse lag nämlich ein klar abgegrenzter kreisförmiger Bezirk von hundert Metern Durchmesser, und Norton hatte den starken Verdacht, dass dies die äußere Klappe einer riesigen Ausstiegsluke sein müsse. Die Geschöpfe, die diese Hohlwelt gebaut hatten, mussten über Möglichkeiten verfügt haben, ihre Raumschiffe nach innen zu bringen. Und dies war logischerweise der beste Platz für einen Hauptzugang. Darum hielt Norton es für unklug, mit seinem Raumschiff die Vordertür zu blockieren.
    Doch aus dieser Entscheidung ergaben sich andere Probleme. Wenn die Endeavour auch nur ein paar Meter von der Achse entfernt aufsetzte, würde die hohe Umdrehungsgeschwindigkeit Ramas sie vom Pol nach außen rutschen lassen. Zunächst würde die Zentrifugalkraft sehr schwach sein, doch sie würde stetig und unerbittlich zunehmen. Der Gedanke, dass sein Schiff über die Polebene schlittern könnte und von Minute zu Minute schneller werden würde, bis es schließlich mit ein paar tausend Stundenkilometern am Rand der Scheibe in den Raum hinausgeschleudert würde, gefiel Norton keineswegs.
    Es bestand die vage Möglichkeit, dass das winzige Gravitationsfeld Ramas - etwa ein Tausendstel der Schwerkraft auf der Erde - dies verhindern würde. Dadurch würde die Endeavour mit einer Kraft von mehreren Tonnen gegen die Fläche gepresst werden, und bei einer relativ rauen Oberflächenstruktur würde das Schiff in Polnähe bleiben. Aber Commander
    Norton beabsichtigte keineswegs, eine unbekannte Reibungskraft gegen eine vollkommen sichere Zentrifugalkraft in die Waagschale zu werfen.
    Glücklicherweise hatten die Konstrukteure Ramas die Antwort bereits geliefert. In gleichmäßigen Abständen um die Polachse waren drei niedrige bunkerförmige Gebilde von etwa zehn Metern Durchmesser angeordnet. Wenn die Endeavour zwischen zweien davon landete, würde sie durch die Zentrifugalkraft gegen sie getrieben und von ihnen abgeblockt werden, wie ein Schiff, das von den andrängenden Wellen am Kai festgehalten wird.
    »Kontakt in fünfzehn Sekunden«, sagte Joe. Während Commander Norton sich auf die Kontrollsteuerung konzentrierte (die er, wie er hoffte, nicht würde bedienen müssen), kam ihm blitzartig zu Bewusstsein, welche Bedeutung dieser Augenblick hatte. Es handelte sich zweifellos um das wichtigste Landemanöver seit der Mondlandung vor anderthalb Jahrhunderten.
    Die grauen bunkerähnlichen Gebilde glitten langsam das Bullauge hinauf. Es kam das letzte Zischen einer Reaktionsdüse, dann ein kaum spürbarer Stoß.
    In den vergangenen Wochen hatte Commander Norton sich oftmals gefragt, was er in diesem Moment sagen würde. Doch nun, da er eingetreten war, wählte die Geschichte die
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