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Rendezvous mit Mr Darcy

Rendezvous mit Mr Darcy

Titel: Rendezvous mit Mr Darcy
Autoren: Karen Doornebos
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so gezwungen war, Menschen wie ihresgleichen dienen zu müssen. »Nein danke, ich mache das schon selbst.«
    »Wie Sie möchten. Folgen Sie mir, bitte.« Fiona wandte sich um und führte Chloe zu einer schmalen Holztreppe, deren Stufen durch den jahrhundertelangen Verschleiß glatt und abgetreten waren. Chloe musste unwillkürlich an all die Menschen denken, die vor ihr den gleichen Weg hinaufgegangen waren. Ein Gasthof war der passende Ausgangspunkt für ihre Reise, denn an einem solchen Ort hatte sich die Gesellschaft des frühen neunzehnten Jahrhunderts getroffen. Arm und Reich hatten sich dort vermischt, Pferde wurden gewechselt, auch Damen konnten in der Öffentlichkeit speisen, und Schicksale hatten sich durch Stelldicheins in den Zimmern verändert.
    Chloe nahm sich in Acht, um ihr schweres Gepäck nicht gegen die verputzten Wände zu schlagen.
    Und Gepäck hatte sie, oh ja. Das stand fest. Einen Ex-mann, einen Stapel überfälliger Rechnungen und ein Haus, das kurz vor der Zwangsvollstreckung stand. Schuld daran war einzig und allein ihr vor dem finanziellen Ruin stehendes, altmodisches Buchdruckgeschäft. Niemand wollte für gedruckte, handgefertigte Hochzeitseinladungen auf Büttenpapier noch Geld ausgeben.
    Der Buchdruck war ein aussterbendes Kunsthandwerk, ein weiteres Opfer des digitalen Zeitalters. Die Bank hatte ihr Drohbriefe geschickt, gedruckt auf billigem Papier mit einem Laserdrucker, geschrieben in Helvetica, der Schrift, die sie am meisten hasste, weil sie keine Serifen besaß, zu häufig verwendet wurde und ihrer Meinung nach zu unpersönlich und damit auch austauschbar war, wie so vieles andere auch.
    Durch Chloes immer schlechter laufendes Geschäft war auch Abigails ganze Welt gefährdet. Vor allem deshalb war Chloe hierhergekommen, um in dieser Dokumentation mitzuwirken und in einem Wettbewerb ihr Wissen über die Romane von Jane Austen unter Beweis zu stellen. Dafür gab es ein Preisgeld in Höhe von hunderttausend Dollar zu gewinnen. Wie sonst sollte sie in so kurzer Zeit an so viel Bargeld herankommen und gleichzeitig noch Reklame für ihr Geschäft machen können? Vielleicht bot die Dokumentation ihr aber neben dem Geld auch noch eine letzte Chance – auf alles, wovon sie kaum zu träumen wagte.
    Fiona schaute vom oberen Treppenabsatz hinunter auf Chloe. »Wie haben Sie in Amerika überhaupt von unserem Filmprojekt hier erfahren?«
    »Oh! Die Präsidentin der Jane-Austen-Society von Nordamerika schickte mir die Informationen zum Casting. Ich bin dort schon seit Ewigkeiten Mitglied und habe so viele der Ratespiele gewonnen, dass sie sofort an mich gedacht hatten. Nachdem ich das Vorsprechen erfolgreich geschafft hatte, na ja, wie hätte eine Dame da noch ablehnen können?«
    Gut möglich, dass Chloe nicht nur zwei Jahrhunderte zu spät, sondern auch im falschen Land geboren war, aber jetzt, hier in England, dem Land ihrer Ahnen, würde alles gut werden.
    »Glauben Sie, die nötigen Voraussetzungen zu besitzen, um das Preisgeld zu gewinnen?«
    »Auf jeden Fall. Ich hege eine Leidenschaft für alles, was mit Jane Austen zu tun hat, und deshalb bin ich hier.« Wenn sie sich mit etwas auskannte, dann waren es die Romane von Jane Austen.
    »Was werden Sie mit dem Geld machen, wenn Sie gewinnen?«
    Chloe blieb einen Moment auf der Treppe stehen. »Wie meinen Sie das, wenn?«
    Fiona lächelte. Dann fügte sie hinzu: »Miss, ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass ich Ihr Dienstmädchen bin und daher von Ihnen nicht mit ›Sie‹ angesprochen werde.«
    Chloe schluckte und nickte.
    »Ich habe vor, so viel wie möglich für wohltätige Zwecke zu spenden.« Endlich. Sie waren im zweiten Stock angekommen. Vom Treppenabsatz konnte man auf mehrere strahlenförmig angeordnete geschlossene Holztüren blicken. »Aber erst nachdem ich genügend Geld für die Ausbildung meiner Tochter beiseitegelegt habe.«
    Fiona trat einen Schritt zurück. »Sie haben eine Tochter? Sind Sie etwa verheiratet , Miss Parker?«
    »Geschieden. Seit vier Jahren.«
    Fiona runzelte die Stirn und wandte sich einer Tür zu, die, nachdem sie sie aufgeschlossen und geöffnet hatte, den Blick auf ein bodenlanges weißes Kleid im Regency-Stil freigab, das an einem großen dreiteiligen Paravent aus Mahagoni hing. »Ihr Kleid.«
    »Toll!« Chloe schnappte nach Luft und versuchte, sich ihren Anblick in dem gerade geschnittenen Kleid mit den kleinen Puffärmeln und dem offenherzigen Ausschnitt vorzustellen. Sie hatte
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