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Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Titel: Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Autoren: Ilkka Remes
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Stimme war betont ruhig. Unheimlich ruhig.
    Karri seufzte tief. Die Straße führte durch ein abgelegenes Dorf. Nur in den Fenstern eines Hauses brannte Licht. Der größte Teil der Dorfbewohner war schon vor langer Zeit nach Südfinnland oder Schweden gezogen. Zuerst waren die Frauen gegangen, worauf nur ein paar Junggesellen im Dorf zurückgeblieben waren, die auf Kosten ihrer alten Mütter in den Hinterzimmern der kleinen Holzhäuser lebten. Manche lebten allein von Arbeitslosenunterstützung, manche verdienten sich durch Beerenpflücken und Jagen etwas hinzu. Und alle gingen natürlich angeln, um den Speisezettel zu bereichern.
    Karri betrachtete die alten Häuschen, deren roter Anstrich bereits verblasste. Saara hatte erzählt, dass es noch in den sechziger Jahren rund um diese Häuser von Kindern gewimmelt habe. Die Männer hatten ihre Familien durch Viehzucht ernährt und im Winter als Holzfäller gearbeitet. Alle hatten gerade genug zu essen gehabt, aber dennoch war Sonntags die Dankesbotschaft der Zionslieder und Choräle erschollen.
    Nach einigen Kilometern Fahrt durch den Wald bog Karri in eine Nebenstraße ab. Hier hatte es weniger geschneit. Nach weiteren fünf Kilometern zweigte ein Waldweg ab. Ein Fremder hätte kaum eine Fahrspur erkannt, aber Karri fuhr zügig und routiniert immer weiter in den Wald hinein.
    Bei der Fahrt den steilen Koppelo-Hügel hinauf hielt er das Lenkrad besonders fest umklammert. Er hatte absichtlich eine Stelle auf dem Fahrweg in fast unpassierbarem Zustand belassen, sozusagen als Burggraben. Der Wagen neigte sich an dieser Stelle so jäh zur Seite, dass Saara Tage gebraucht hatte, bis sie sich traute, diese Strecke selbst zu fahren, obwohl sie es gewohnt war, sich im Gelände zu bewegen.
    Karri wusste, dass er Saara von Erjas Tod erzählen musste. Aber er wusste nicht, wie er das über sich bringen sollte. Die beiden Frauen hatten sich seit ihrer Kindheit gekannt. Trotzdem: Hatte es damit wirklich Eile? Saara war am Samstagmorgen völlig aufgewühlt zu ihrer Reise aufgebrochen, sodass er sie jetzt nicht zusätzlich belasten wollte. Andererseits würde Saara ihm später Vorwürfe machen, weshalb er das Ganze schlicht und einfach hinter sich bringen musste. Und zwar bald.
    Nach dem Hügel führte der Weg durch einen lichten Kiefernwald mit trockenem Boden und vielen Flechten. Hier war der Schnee zum größten Teil schon wieder geschmolzen. Zum Glück, dachte Karri. Mit dem Schnee würden auch die Spuren des Wilderns verschwinden.
    Er bereute bereits, auch nur den Gedanken gehabt zu haben, der Polizei etwas von der Wilderei zu sagen. Tomi hatte Recht – das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun. Es war sinnlos, sich unnötig eine blutige Nase zu holen.
    Außerdem hatte Karri Verständnis für Tomi. Der war vor wenigen Jahren ebenfalls aus dem Süden in die Gegend gekommen, hatte mutig in ein Safari-Unternehmen investiert und auch gute Verträge mit ausländischen Reiseanbietern ausgehandelt. Für die Firma wäre es keine gute Reklame, wenn ihr Chef wegen Wilderei angezeigt würde. Das könnte unter Umständen sogar das ganze Unternehmen zu Fall bringen.
    Trotz Löchern und Wurzeln erhöhte Karri die Geschwindigkeit. Anfangs waren sie selbstverständlich davon ausgegangen, dass eine ordentliche Zufahrt angelegt würde. Aber nachdem der Traktor im Sommer zig Fuhren Baumaterial herangeschafft hatte, war dadurch bereits eine Fahrspur entstanden. Im Winter würden sie ohnehin mit dem Motorschlitten fahren, was für einen Nutzen hätten sie dann von einer ordentlichen Zufahrt? Die hätte nur das Gefühl, inmitten der Wildnis zu leben, wieder zunichte gemacht.
    Im Scheinwerferkegel tauchte das letzte Geländehindernis auf, ein schmaler Streifen Land zwischen den beiden Seen, so schmal, dass man ihn innerhalb von wenigen Stunden unter Wasser setzten konnte, wenn man wollte und ordentlich mit der Schaufel loslegte. Es hatte Karri schon immer gereizt, an einem abgeschiedenen, nahezu unzugänglichen Ort zu leben.
    Die letzten wenigen hundert Meter folgte die Fahrspur dem Seeufer und führte dann den Hang hinauf, wo aus den grauen Balken der ehemaligen Scheune eine Garage für den Wagen errichtet worden war. Durch den Bewegungsmelder ging die gedämpfte Außenbeleuchtung an. Müde stieg Karri aus dem Wagen. Während er auf das Haus zuging, sprangen nach und nach rechts und links des Pfades die Lichter an. Sie waren in ausgehöhlten Kiefernpfosten von einem halben Meter Höhe
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