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Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Titel: Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Autoren: Ilkka Remes
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nahm allen Mut zusammen und wählte Saaras Nummer. Er stand im hohen, atelierartigen Wohnzimmer, vor dessen Panoramafenster pechschwarze Finsternis herrschte. In diesen Breitengraden kam die Dunkelheit früh, zwischen November und Januar schon am frühen Nachmittag, und in den Stunden davor wurde es auch nicht richtig hell. Im Sommer schien die Sonne dafür rund um die Uhr durch die vielen Fenster ins Haus.
    Saara meldete sich nicht, so wie Karri es angenommen hatte. Er war erleichtert. Es schien ihm unmöglich, von Erjas Tod zu berichten. Nach dem Gymnasium waren Saara und Erja eigene Wege gegangen, aber sie waren noch immer alte Freundinnen, die nicht voneinander loskamen, selbst wenn sie es gewollt hätten.
    Seine Schwiegermutter mochte Karri auch jetzt nicht anrufen. Er ging ins Arbeitszimmer und schaltete den Computer ein. Die DSL-Verbindung lief über die Satellitenschüssel auf dem Dach. Anfangs hatte Karri geglaubt, nicht eine Woche ohne Internet auszukommen, aber mittlerweile brauchte er es fast nur noch, um seine Geldangelegenheiten und dergleichen zu regeln.
    Auf der Homepage der Regionalzeitung ›Kaleva‹ wurde die Tragödie noch nicht erwähnt. Karri beschloss, noch einen Blick auf die Abschlusswerte der New Yorker Börse vom Freitag zu werfen. Er kümmerte sich zu wenig um seine Fonds, das wusste er, obwohl sie jetzt seine einzige Einnahmequelle bildeten. Irgendwann würde er vermutlich in die IT-Branche zurückkehren, dann aber in Oulu.
    In seinem Banking-Programm war eine Routinemitteilung eingegangen. Als er sie genauer anschaute, erschrak er.
    Sie haben unseren Service zuletzt am 6.11. um 20.43 Uhr in Anspruch genommen.
    Karris Puls ging nun etwas schneller. Zu dem angegebenen Zeitpunkt am Freitag war er in Oulu gewesen und Saara mit ihren Freundinnen in der Kaminstube . Ansonsten hatte Karri das Wochenende hauptsächlich mit Saara verbracht und es vermieden, so kurz vor ihrer Reise am Bildschirm zu sitzen. Zumal Saara so aufgeregt und nervös gewesen war. Durch irgendetwas, das mit dem Nahen Osten zu tun hatte, war sie schon Wochen zuvor aus der Fassung geraten. Aber sie hatte nicht sagen wollen, was sie belastete. Sie hatte versprochen, es dann zu tun, wenn sie »sich sicher« sei.
    Besorgt loggte sich Karri in das Programm ein. Alles war wie zuvor, die Anzahl der Aktien, der Kontostand. Bevor er Kunde geworden war, hatte er sich sorgfältig nach der Sicherheit des Programms erkundigt, er hatte sogar Oskari, der in Karris ehemaliger Firma für den Datenschutz zuständig gewesen war, nach dessen Meinung gefragt.
    Jetzt hatte er wieder Anlass, Oskari anzurufen. Gleich am nächsten Morgen würde er das tun. Karri sah sich den Wert seines Portfolios an. Minus 0,121 Prozent. Da hatte er einen Grund für seine Faulheit in Fragen der Geldanlage: Schlechte Nachrichten deprimierten ihn jedesmal, auch wenn er wusste, dass man sich darüber nicht zu viele Gedanken machen durfte, denn interessant war allein die langfristige Entwicklung.
    Unruhig schaltete Karri den Computer aus. Trotz Firewall und Sicherheitsprogrammen war jemand online in seine Privatsphäre eingedrungen.
    In Gedanken versunken ging er im Haus umher und fand sich kurz darauf in Saaras Arbeitszimmer wieder. Im Schein der Halogenspots schimmerten die Wände aus alten Kiefernbalken in verschiedenen Tönen von Silbergrau. Einige Spots waren auf die Wand gerichtet, an der gerahmte Pergamentstücke und Teile von Papyrusrollen hingen. Ein kleines Fragment stammte aus Saaras aktuellem Forschungsobjekt, aus einem Oxyrhynchos-Papyrus. Auf dem großen Schreibtisch, dessen Platte aus Granit gemacht war, lagen die Papiere durcheinander, die Bücherregale waren ungeordnet. Das war ganz und gar nicht Saaras Art, ihren Arbeitsplatz so zu hinterlassen, schon gar nicht vor einer längeren Reise.
    Karri suchte eines von Saaras alten Fotoalben heraus und blätterte darin, bis er Klassenfotos aus der Mittel- und Oberstufe fand.
    Sein Blick fiel auf Erja, auf ein ernst und erwachsen wirkendes Mädchen mit Brille. Schon damals trug sie ein dunkelgraues, sackartiges Kleid, das eher einem Kittel glich. Das dicke schwarze Haar war vorne zum Pony geschnitten, es umgab das runde Gesicht wie ein schützender Helm. Saara wirkte auf den Fotos lockerer, aber auch sie lächelte nicht aus vollem Herzen. Anders als die Saara, die Karri in Helsinki im Paddelkurs kennen gelernt hatte. Er hatte an dem Kurs teilgenommen, um Paddeln zu lernen. Saara und ein paar andere
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