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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
Autoren: Ilkka Remes
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schroffer, und er drückte dem Montenegriner die Pistole noch fester unters Kinn.
    »Vielleicht versteht er nur seine eigene Sprache«, sagte Rockler, der hinter Coblentz stand und vor Aufregung rote Backen hatte.
    »Rede!«, zischte Coblentz.
    Auf Vojislavs Lippen erschien der Anflug eines Lächelns.
    Christian zog Tinas Bett den Gang entlang in Richtung Ausgang. Weit weg hörte man serbokroatische Rufe. Das Rattern der Räder auf dem Beton hallte von allen Seiten wider.
    Dann zerrissen Schüsse die Luft. War es den Amerikanern gelungen, Franjo zu überraschen? Christian ging schneller. Wieder wurde geschossen. Er blieb stehen. Ihm war, als wären die Schüsse von vorne gekommen. Er umklammerte das Bettgestänge und bog in einen Gang ein, den er noch nicht kannte.
    Im Labyrinth hallte der Schusswechsel aus immer kürzerer Entfernung wider. Christian blieb neben einer Tür stehen und griff zur Klinke. Die Tür war nicht abgeschlossen, er machte sie auf, zog Tinas Bett schnell hinein und nahm im selben Moment den stechenden Geruch von Desinfektionsmittel wahr. Warum hatte er ihn nicht schon auf dem Gang gerochen? Beim Schließen der Tür fand er die Erklärung: Auch hier waren Dichtungsgummis am Türfalz angebracht.
    Am liebsten wäre Christian sofort wieder in den Gang zurückgekehrt, aber wegen des immer näher rückenden Lärms überlegte er es sich anders. Er nahm die Taschenlampe vom Bett. Tina schlief oder war bewusstlos. Christian ließ den Lichtkegel durch den saalartigen Raum wandern. Auf dem Betonboden standen große Pfützen, zwischen ihnen schlängelten sich Schläuche. Ein oranger Gabelstapler in der Ecke ließ Christian zusammenzucken. Er begriff, dass er sich in dem Raum befand, in den er von oben hineingesehen hatte. Hier wurden die Leichen hin und her geschoben. In eine Wand war eine Flügeltür eingelassen, und Christian ahnte, was sich dahinter befand: In Plastik verpackte Tote. Er erinnerte sich an die Stimme des Amerikaners: Vierzig sind noch übrig. ..
    Unmittelbar in seiner Nähe erkannte er eine provisorisch wirkende Konstruktion aus Brettern und Metallplatten. Der Lärm auf dem Gang veranlasste ihn, zu beten, die Amerikaner würden vorbeigehen. In immer geringerer Entfernung wurden jetzt Türen geöffnet. Sie gingen systematisch alle Räume durch. Christian schaltete die Lampe aus, ließ das Bett an der Wand stehen und entfernte sich im Dunkeln von der Tür. »Schnell«, rief jemand auf dem Gang. »Die Kassette darf nicht in der Ruine bleiben. Niemand darf sie finden ...«
    Christian stieß mit dem Knie gegen ein Brett und ging in die Hocke. In der Ruine? Die Tür zum Gang flog auf, der helle Lichtkegel eines Handscheinwerfers fiel herein. Vorsichtig schlich Christian hinter die Bretterkonstruktion, während der Lichtkegel mit schnellen Sprüngen näher kam. Unmittelbar bevor das Licht die Konstruktion traf, erstarrte Christian mit hämmerndem Herzen auf der Stelle. Er wusste, dass er nur teilweise verborgen war.
    Aber dann erlosch die Lampe, und kurz darauf ging die Tür zu. Christian keuchte. Der Geruch des denaturierten Spiritus war so stechend, dass er die Schleimhäute zu verätzen schien. Christian fragte sich, ob man ihn bemerkt hatte. Bestimmt, aller Vernunft nach.
    Einen Moment lang wartete er ab. Die Geräusche auf dem Gang waren verschwunden. Er streckte die Hand aus und berührte etwas Metallisches. Es war der Rand einer Art von Behälter, der etwa einen Meter hoch war. Die Säure muss in regelmäßigen Abständen gewechselt werden, hatte der Amerikaner gesagt. Die Leichen der infizierten Opfer wurden in einem Säurebecken vernichtet! Nicht einmal die Knochen blieben von ihnen übrig.
    Instinktiv wich Christian von dem Rand des Stahlbehälters zurück und stolperte dabei über einzelne Bretter, die auf dem Boden lagen. Das Säurebecken wurde offenbar abgebaut, weil die Amerikaner alle Spuren beseitigen wollten. Nichts sollte ihren Besuch in der Festung Bukovica verraten.
    In der Dunkelheit ertönte ein schwacher Laut. »Psst...«, machte Christian in Tinas Richtung. »Es ist alles gut.«
    Da öffnete sich die Tür zum Gang erneut, und Christian ging hinter dem Becken in Deckung. Zwei Lampen blendeten ihn.
    »Komm raus«, sagte Coblentz aus der Dunkelheit hinter den grellen Lichtern. Christian überlegte eine Sekunde, dann stand er langsam auf. Die Oberfläche der trüben Flüssigkeit in dem runden Becken zog seinen Blick an, und bei dem Gedanken an den ätzenden Inhalt hätte er
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