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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
Autoren: Ilkka Remes
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sich fast übergeben.
    »Wo ist die Kassette?« Zum ersten Mal klang die Stimme von Coblentz gehetzt und bedrohlich. »Such sie dir selbst.« »Du hast zwei Möglichkeiten.«
    Der Lichtkegel schwenkte jäh zur Seite. Neben Coblentz stand Sara. Der Amerikaner hatte eine Maschinenpistole direkt auf ihre Brust gerichtet. »Das hier ist die eine.« Dann schnellte der Lichtkegel einige Meter weiter zu Tina, die mit der HEPA-Haube über dem Kopf im Bett lag. »Und das ist die andere. Du entscheidest, welche von beiden ich erschieße, wenn du mir nicht die Kassette gibst. Solltest du nicht bereit sein, eine Wahl zu treffen, erschieße ich beide, sobald ich bis fünf gezählt habe.« Christian streckte den Rücken durch. Sein Gehirn arbeitete fieberhafter als je zuvor in seinem Leben, aber eine Lösung war nicht in Reichweite. Er starrte auf Saras blutleeres, von grenzenlosem Entsetzen gezeichnetes Gesicht und sah zugleich im schwachen Lichtschein, wie Tina sich in ihrem Bett auf einen Ellbogen stützte. »Drei...«, sagte Coblentz.
    Es gab nicht den geringsten Zweifel daran, dass der Amerikaner seine Drohung in die Tat umsetzen würde. Näher als je zuvor war das Böse an Christian herangerückt. Er holte tief Luft. Nicht seine Gehirnzellen entschieden, sondern sein Herz. Die einzig richtige Entscheidung wurde ihm von Moral, Ehre und Würde diktiert - nicht von der Neurochemie oder von Synapsen.
    »Vier...«
    Christian spannte die Muskeln an und befreite sich endgültig von seinen neurobiologischen Fesseln. Er ergriff den Rand des Beckens, schwang sich auf den Sühnealtar und ließ sich in die kalte, heiligende Flüssigkeit fallen.
56
    Schaumkronen leuchteten auf den dunklen Wellen. Der Mond über der Adria warf sein Licht auf die Metallhülle der Tomahawk-Raketen, die im Abstand von zweihundert Metern voneinander mit der Kraft von Düsenmotoren ihrem Ziel entgegendonnerten. In der Ferne zeichnete sich als schwarzer Streifen die Küste von Montenegro ab. Die Koordinaten von Bukovica hielten die Flugkörper exakt auf Kurs. Bis zum Ziel waren es noch zwei Minuten und fünfzig Sekunden.
    Christian spürte ein Brennen auf der Haut, aber nicht den ätzenden Schmerz, den er erwartet hatte. Sara schrie hysterisch. Rockler packte Christian am Arm, um ihn aus dem Becken zu ziehen, und schien dabei überhaupt nicht darauf zu achten, nicht mit der Flüssigkeit in Berührung zu kommen. Christian riss sich von ihm los. »Raus aus dem Becken!«, befahl Coblentz mit vorgehaltener Maschinenpistole und blickte hastig auf die Uhr. »Glaubst du, du kannst dich damit aus der Affäre ziehen? Das ist Wasser. Das Becken ist vor dem Abbau ausgespült worden.«
    Eine Mischung aus Raserei und Erleichterung erfüllte Christian.
    »Kann sein, dass noch ein Rest Chlorsulfaminsäure drin ist. Im schlimmsten Fall wirst du deine Haut los.« Coblentz richtete die Waffe abwechselnd auf Sara und Tina. »Welche von beiden?«
    Franjo spähte um die Ecke und sah durch die Optik seines Nachtsichtgerätes einen Amerikaner vor einer Tür Wache stehen.
    Hinter Franjo hielt Nikola inne und hob in der Dunkelheit die Hand, um Plav, der aus der anderen Richtung auf dem Gang näher kam, ein Zeichen zu geben. Plav schlug den Wächter mit dem Stutzen seiner Maschinenpistole nieder. Dann stürmten die drei Männer durch die Tür.
    Franjo brüllte Coblentz an und nahm ihm, unterstützt von seinen Kameraden, die Waffen ab. »Gehen wir... Es stecken noch mehr von ihnen irgendwo in der Festung.« Triefend und mit heiß brennender Haut eilte Christian zu Tinas Bett und schob es auf den Gang.
    »Sara, komm mit mir!«
    Tina versuchte sich aufzurichten, aber Christian drückte sie sanft wieder nach unten. An der nächsten Zwischentür versuchte er das Bett über die Schwelle zu zerren, ohne die Räder anzuheben, aber das war unmöglich. Franjo eilte mit Maschinenpistole und Lampe in der Hand herbei und half Christian, das Bett über die Schwelle zu heben. »Wo ist Sara?«, fragte Christian, als er das Bett weiter in Richtung Ausgang schob. »Sieh zu, dass sie hinauskommt!«
    Franjo machte kehrt. Christian hielt vor einer Treppe an und merkte, dass Tina die Augen geschlossen hatte. Er legte einen Finger auf ihren Hals unter der HEPA-Faser und fühlte den Puls. Dann nahm er Tina behutsam auf den Arm und trug sie die Treppe hinauf.
    Sara spürte, wie das Seil um ihre Fußgelenke mit schnellen Bewegungen zugezogen wurde. Franjo lag auf dem Gang. Drei Amerikaner, die aus dem Labyrinth
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