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Reisestipendien

Reisestipendien

Titel: Reisestipendien
Autoren: Jules Verne
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ungeduldige Jugend in den abenteuerlichsten Mutmaßungen, die unerklärliche Verzögerung zu erklären. Hatte das Paketboot, das den Postdienst zwischen den Antillen und Großbritannien vermittelt, bei einem Sturm etwa einen Unfall erlitten? War es infolge eines Zusammenstoßes etwa gar zu Grunde gegangen? War es auf eine noch unbekannte Untiefe aufgelaufen? War vielleicht ganz Barbados bei einem der in Westindien so furchtbar auftretenden Erdbeben völlig vernichtet worden? Hatte die freigebige Dame bei einem dieser schrecklichen Naturereignisse den Tod gefunden? Sollten Frankreich, Holland, Dänemark, Schweden und die Vereinigten Königreiche die schönsten Perlen ihres Kolonialbesitzes in der Neuen Welt verloren haben?…
    »Nein, nein, das nicht, versicherte Herr Ardagh, eine solche Katastrophe wäre schon bekannt geworden, die Zeitungen hätten darüber bereits unzählige Einzelheiten berichtet.
    – Da sieht man’s ja, rief Tony Renault. Nähmen die überseeischen Dampfer Brieftauben mit, so wüßte man stets, ob bei ihnen alles in Ordnung ist oder nicht!«
    Sehr richtig! Jener Zeit gab es aber noch keine regelmäßige Taubenpost… zum großen Mißvergnügen der Pensionäre der Antilian School.
    Dieser Zustand der Dinge konnte indes nicht lange währen. Den Lehrern gelang es nicht, die Erregung der jungen Hitzköpfe zu dämpfen. Keiner arbeitete mehr in den Klassen oder in den Studiensälen. Nicht allein die Sieger im Wettbewerbe, sondern auch deren Kameraden dachten an ganz andere Dinge als an ihre Pflichten.
    Allgemein herrschte geradezu eine Überreizung, nur den Direktor brachte die Ungewißheit nicht aus seiner Ruhe. Es erschien ja ganz natürlich, daß Mrs. Kathlen Seymour nicht durch ein Telegramm geantwortet hatte, das doch kaum alles hätte sagen können. Nur ein Brief, ein ausführlicher Brief konnte die Anordnungen bekanntgeben, denen man nachzugehen hatte, konnte ankündigen, welches das Reiseziel sein sollte, unter welchen Verhältnissen die Fahrt vor sich gehen und zu welcher Zeit sie unternommen werden sollte, wie lange sie dauern werde, in welcher Weise die Kosten gedeckt werden sollten und wie hoch sich die Stipendien belaufen würden, die den neun Preisträgern zukommen sollten. Das alles erforderte wenigstens zwei bis drei Briefseiten und konnte nicht in der negrogrammatischen Sprache gesagt werden, die bei den Schwarzen der westindischen Kolonien noch im Gebrauch ist.
    Alle diese völlig richtigen Bemerkungen blieben jedoch ohne Wirkung und die Unruhe in der Anstalt legte sich nicht. Die Pensionäre, die keinen Preis davongetragen hatten und auf den Erfolg ihrer Kameraden etwas neidisch waren, begannen schon diese zu hänseln, sie zu »uzen«… um hier ein Wort zu gebrauchen, das bald auch in die gute Schriftsprache übergehen dürfte. Die ganze Geschichte wäre die reine Komödie… an Reisestipendien würde kein Centime und kein Farthing herauskommen. Der Mäcen im Unterrocke, der sich Kathlen Seymour nannte, existierte überhaupt nicht. Der Wettbewerb sei nichts weiter gewesen als so ein Humbug, ein Import aus Amerika, wo dieser ja üppig ins Kraut schösse!
     

    Diese neun Inseln sollten die neun Zöglinge gemeinschaftlich besuchen. (S. 22.)
     
    Der Direktor Ardagh machte sich endlich dahin schlüssig, die Ankunft des nächsten Postdampfers in Liverpool, der die Briefschaften von den Antillen bringen mußte, ruhig abzuwarten. Das Schiff war am 23. des laufenden Monats zu erwarten. Träfe auch dann kein Brief von Mrs. Kathlen Seymour an seine Adresse ein, so wollte er eine zweite Depesche absenden.
    Das wurde jedoch nicht nötig. Am 23. kam mit der Nachmittagspost ein mit »Barbados« abgestempelter Brief an. Er war von Mrs. Kathlen Seymours eigener Hand. Er enthielt, wie man vorausgesehen hatte, die Bestimmungen der Dame, und zwar dahin gehend, daß die Stipendien zu einer Reise nach den Antillen verwendet werden sollten.
Zweites Capitel.
Die Gedanken der Mrs. Kathlen Seymour.
    Eine Reise nach verschiedenen Inseln Westindiens hatte also die Freigebigkeit der Mrs. Kathlen Seymour den Preisträgern beschert, und diese konnten davon wohl vollkommen befriedigt sein.
    Freilich hieß es nun verzichten auf weit ausgedehnte Fahrten, wie durch Afrika, Asien, Ozeanien, nach den wenig bekannten Teilen der Neuen Welt oder auf einen »Ausflug« nach dem Nord-oder Südpole.
    Wenn das auch anfänglich eine leichte Enttäuschung hervorrief, wenn die jungen Leute jetzt fast noch schneller aus den
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