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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras
Autoren: Jules Verne
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Nord-Lincoln erreicht, und zwar genau am Cap Eden. Wir treten jetzt in den Jones-Sund ein; mit etwas mehr Glück hätten wir diesen bis zum Bassins-Meere offen gefunden. Doch wir dürfen nicht klagen; wenn mein armer Hatteras zuerst ein so leicht zugängliches Meer gefunden hätte, wäre er schnell bis zum Pol gelangt; seine Mannschaft hätte ihn nicht verlassen, und er hätte nicht unter dem Einfluß so schrecklicher Gemüthsbewegungen den Verstand verloren!
    – Nun, sagte Altamont, so haben wir keine andere Wahl, als die Schaluppe zu verlassen und die Ostküste von Lincoln mittels Schlitten zu erreichen.
    – Die Schaluppe verlassen und wieder zum Schlitten greifen, ja wohl, antwortete der Doctor; aber statt über Lincoln zu fahren, schlage ich vor, über den Jones-Sund zu setzen und auf dem Eise Nord-Devon zu erreichen.
    – Und warum?
    – Weil wir, je mehr wir uns dem Lancaster-Sund nähern, desto mehr Aussicht haben, Wallfischfängern zu begegnen.
    – Sie haben Recht, Doctor; doch glaube ich nicht, daß das Eis schon fest genug sein wird, uns den Uebergang zu gestatten.
    – Wir werden es versuchen«, erwiderte Clawbonny.
    Die Schaluppe wurde entladen; Bell und Johnson setzten den Schlitten wieder zusammen, dessen Theile alle in gutem Zustande waren; andern Tags wurden die Hunde wieder angeschirrt und man zog längs der Küste hin, um das Eisfeld zu erreichen.
    Nun begann diese schon so oft beschriebene, ermüdende und langsame Reise wieder. Altamont hatte Recht gehabt, der Haltbarkeit des Eises zu mißtrauen, man konnte nicht über den Jones-Sund setzen und mußte sich an der Küste von Lincoln halten.
    Am 21. August schnitten die Reisenden schräg zu und gelangten an den Eingang der Glacier-Meerenge; dort begaben sie sich nun auf das Eisfeld und erreichten andern Tags die Insel Cobourg, die sie in weniger als zwei Tagen trotz andauernder Schneestürme durchzogen.
    Von hier aus konnten sie wieder den bequemeren Weg über das Eisfeld nehmen und setzten den Fuß endlich, am 24. August, auf Nord-Devon.
    »Nun haben wir, sagte der Doctor, nur noch dieses Land zu durchziehen und Cap Warender am Eingange des Lancaster-Sund zu erreichen.«
    Das Wetter wurde aber nun abscheulich und sehr kalt; Schneewehen und Wirbelstürme gewannen ihre winterliche Heftigkeit wieder; die Reisenden waren mit ihren Kräften zu Ende. Die Nahrungsmittel gingen auf die Neige und Jeder mußte sich mit einer Drittelration begnügen, um den Hunden ein ihren Anstrengungen entsprechendes Futter zu sichern.
    Die Natur des Bodens steigerte die Strapazen der Reise; dieses Land, Nord-Devon, war ungemein zerklüftet; man mußte das Trauter-Gebirg durch kaum zugängliche Schluchten überschreiten, und das im fortwährenden Kampfe gegen die entfesselten Elemente. Der Schlitten, die Menschen und die Hunde hätten beinahe nicht weiter gekonnt, und mehr als einmal bemächtigte sich die Verzweiflung der kleinen Truppe, welche doch so abgehärtet und an die Anstrengungen einer Polarexpedition gewöhnt war. Ohne sich davon Rechenschaft zu geben, waren diese armen Leute moralisch und physisch gebrochen; nicht ungestraft verträgt man achtzehn Monate lang unausgesetzte Anstrengungen und einen nervenzerrüttenden unaufhörlichen Wechsel von Hoffnung und Verzweiflung. Zudem ist nicht zu vergessen, daß die Hinreise mit einem Feuereifer, einer Ueberzeugung, einem Glaubensmuthe ausgeführt wurde, welche der Rückreise abgingen. So schleppten sich auch die Unglücklichen nur mit Mühe vorwärts; man könnte sagen, sie marschirten aus Gewohnheit, getrieben durch ein Ueberbleibsel thierischer, von ihrem Willen unabhängiger Energie.
     

    Erst am 30. August kamen sie aus jenem Chaos von Bergen heraus, von denen die Orographie niederer Breitegrade keine Idee giebt, aber sie kamen heraus halb todt und halb erfroren. Der Doctor war nicht mehr im Stande, seine Genossen aufrecht zu erhalten, er fühlte selbst seine zunehmende Schwäche.
    Die Trauter-Berge reichten bis zu einer zerrissenen und zerklüfteten Ebene.
    Dort mußte man wohl oder übel einige Tage ausruhen; die Wanderer konnten nicht mehr einen Fuß vor den anderen setzen; zwei Zughunde waren auch schon vor Erschöpfung verendet.
    Man suchte also, bei einer Kälte von zwei Grad unter Null (– 19° hunderttheilig) hinter einigen Eisschollen Schutz; Niemand hatte den Muth, das Zelt aufzuschlagen.
    Die Lebensmittelvorräthe waren sehr zusammen geschmolzen und konnten trotz der äußersten Sparsamkeit bei den
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