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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras
Autoren: Jules Verne
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Wäre die Insel der Königin schon mehrere Jahrhunderte alt, so würden heiße Quellen, wie sie in der Nähe der Vulkane häufig sind, aus ihrem Innern gesprudelt sein. Nun aber fand man hier nicht allein kein Tröpfchen Wassers, sondern die Dünste, welche aus Lavaströmen entstanden, schienen durchaus ohne Wassergehalt zu sein.
    Also war diese Insel neuerer Bildung, und so wie sie eines Tages zum Vorschein kam, so konnte sie eines anderen Tages wieder verschwinden und von Neuem in die Tiefe des Oceans versinken.
    Im Verhältniß, wie man höher kam, wurde das Besteigen schwieriger die Seiten des Berges waren fast senkrecht, und man mußte äußerst vorsichtig sein, um ein Zusammenstürzen zu vermeiden. Ost wirbelten Aschensäulen um die Reisenden, und drohten sie zu ersticken, oder Lavaströme versperrten ihnen den Weg. An einigen horizontalen Stellen waren die Ströme eben erkaltet und fest geworden, während unter dieser Rinde noch siedende Lava floß, so daß also Jeder sondiren mußte, um nicht plötzlich in solchen glühenden Stoff einzusinken.
     

    Hatteras am Ziele seines Strebens. (S. 502.)
     
    Von Zeit zu Zeit spie der Krater Felsstücke aus, welche in brennendem Gas rothglühend geworden; manche von diesen Massen zerplatzten wie Bomben in der Luft, und ihre Trümmer zerstreuten sich weit und breit in allen Richtungen.
    Man begreift, wie diese Besteigung des Berges mit unzähligen Gefahren verbunden war, und nur von einem Narren vorgenommen werden konnte.
     

    Allein auf dem Drehpunkt des Erdballs! (S. 503.)
     
    Doch Hatteras stieg mit auffallender Behendigkeit immer weiter, und klomm, die Stütze seines eisenbeschlagenen Stockes verschmähend, die schroffsten Abhänge hinan.
    Er gelangte bald zu einem kreisrunden Felsen, der eine Art von Plateau von zehn Fuß Breite bildete; ein glühender Strom floß um denselben herum, nachdem er an der Spitze eines höheren Felsens sich gabelförmig getheilt hatte, so daß nur ein schmaler Weg dazwischen blieb, welchen Hatteras tollkühn betrat.
    Hier blieb er stehen, und seine Gefährten konnten ihn einholen. Darauf schien er mit den Augen den Raum zu messen, welcher ihm noch zu steigen blieb; horizontal befand er sich noch über hundert Klafter vom Krater, d.h. vom mathematischen Punkt des Pols entfernt; aber vertical waren noch über fünfzehnhundert Fuß zu ersteigen.
    Bereits seit drei Stunden war man im Aufsteigen begriffen; Hatteras schien noch nicht müde; seine Gefährten waren schon fast erschöpft.
    Der Gipfel des Vulkans schien unzugänglich zu sein. Der Doctor entschloß sich, Hatteras um jeden Preis vom Weitersteigen abzuhalten. Zuerst versuchte er’s mit der Güte, aber die Aufregung des Kapitäns steigerte sich bis zum Wahnsinn; bereits während des Steigens hatte er alle Anzeichen wachsenden Irrsinns wahrnehmen lassen, und wer ihn kannte, wer ihn durch alle Phasen seines Lebens begleitete, konnte es nicht überraschend finden. Im Verhältniß wie Hatteras höher über den Meeresspiegel drang, wuchs seine Ueberspannung; er lebte nicht mehr in der Menschenregion.
    »Hatteras, sagte zu ihm der Doctor, nun ist’s genug! Weiter können wir nicht.
    – So bleibet, erwiderte der Kapitän mit auffallendem Ton, ich steige höher hinauf!
    – Nein! Das wäre auch unnöthig! Hier sind Sie am Pol der Erde!
    – Nein! Nein! Noch höher!
    – Mein Freund! Ich, der Doctor Clawbonny, rede zu Ihnen! Kennen Sie mich nicht?
    – Höher! Höher! rief er wiederholt im Wahnsinn.
    – Nein! Nein! Wir dulden’s nicht …«
    Ehe noch der Doctor diese Worte zu Ende gesprochen, sprang Hatteras mit übermenschlicher Anstrengung über den Lavastrom, von seinen Gefährten getrennt, welche nicht zu ihm gelangen konnten.
    Diese schrieen laut auf, in der Meinung, Hatteras sei in den siedenden Strom gestürzt; aber der Kapitän war jenseits hingesunken, und Duk, der ihn nicht verlassen wollte, sprang ihm nach.
    Er verschwand hinter einer Hülle von Rauch, und man hörte seine Stimme, die in der Entfernung immer schwächer tönte:
    »Nordwärts! Nordwärts! schrie er. Zum Gipfel des Hatteras-Berges! Gedenken Sie des Hatteras-Berges!«
    Den Kapitän einzuholen, daran war nicht zu denken; es waren zwanzig Gründe dafür, daß man an der Stelle blieb, welche er mit dem Glück und der Geschicklichkeit, wie sie Narren eigen ist, verlassen hatte; den feurigen Strom zu überspringen war unmöglich; ebenso unmöglich, ihn zu umgehen. Altamont versuchte vergeblich über ihn hinüber zu
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