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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens
Autoren: Helena Reich
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Larissa grinste. »Wir setzen uns schon mal ins Auto. Wiedersehen, Valeska, war schön, dich kennenzulernen.«
    Hermiona verabschiedete sich ebenfalls von Valeska, nicht ohne ihr das Versprechen abzunehmen, bald nach Prag zu kommen. Die anderen holten ebenfalls ihre Sachen aus dem Haus. Fünfzehn Minuten später, nach langer, wortreicher Verabschiedung, saßen Agáta, Larissa, Hermiona und Anděl im Wagen. Valeska ging zurück zum Übungsraum und winkte ihnen noch ein letztes Mal.
    Als Anděl den Wagen starten wollte, klingelte sein Handy. Es war Ota Nebeský.
    »Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen, weiß auch nicht warum. Ist ja alles wieder gut und beim Alten, nicht wahr. Ja. Äh, seid ihr schon auf dem Weg?«
    »So gut wie. Was gibt’s?«
    »Ach, eigentlich nichts weiter, ich … na ja, ich bin nur froh, dass …« Ota schwieg bewegt einen Moment. »Junge, ich hab dich echt vermisst. Ist scheiße, so ohne Engel an der Seite.« Er räusperte sich verlegen und fuhr deutlich fröhlicher fort: »Wollte dir nur sagen, dass wir deine Rückkehr natürlich feiern werden, wie es sich gehört – ich habe Karten für das Eishockey-Halbfinale nächste Woche, und hinterher gehen wir zu Magda ins Ráj. Die ganze Mannschaft kommt mit, sogar das Väterchen. Was hältst du davon?«
    »Klasse. Feine Sache, Ota.« Zurück, dachte er, und warf einen Blick auf Hermiona, die auf der Rückbank ihren Kopf an Larissas Schulter gelehnt hatte und tief schlief. Ihre Lippen umspielte ein glückliches Lächeln. Ja, er würde nach Prag zurückkehren, selbstverständlich, in Prag wartete Magda, in Prag waren Larissa, Ota, Jirka, Meda, Agáta, der Staatsanwalt, Felix – und wie sie alle hießen, die Freunde und Geliebten, die Menschen, auf die er nicht verzichten mochte. Und er hatte es seiner Tochter versprochen, sie würden zusammen in Prag leben, in einer Wohnung wie ein Adlerhorst, hoch über den roten Ziegeldächern der Stadt, die sie noch nie gesehen hatte, mit einem Blick über die Moldau und die Altstadt direkt hinüber in die Weinberge, wo man neben den spitzen Türmen der Kirche der heiligen Ludmilla mit etwas Fantasie und einem guten Fernglas den Eindruck hatte, in Magdas Fenster auf dem Friedensplatz spähen zu können. Er liebte diese Stadt und ihre Menschen – egal wie sehr sie ihm gelegentlich auf den Geist gingen. Prag war ihm das Zentrum der Welt. Ja, Franz, dachte er, dieses Mütterchen hat Krallen, das hast du richtig erkannt. Aber nicht etwa weil sie wirklich golden wäre, diese sogenannte Goldene Stadt; nicht weil man sie seit Urzeiten die Mutter der Städte nannte, als sei sie älter als andere Städte; nicht weil sie mehr Türme hätte oder aus mehr historischem Stein bestünde; nein, es war ihre unvergleichliche Atmosphäre, ein Zauber, der nicht überwältigte, sondern sich langsam, fast unmerklich in die Seele schlich und dort in jedem Winkel festsetzte und mit ihr verwuchs, bis man glaubte, ohne diese Stadt nicht mehr atmen zu können. Prag war seine Stadt, und keine andere konnte damit mithalten. Nicht mal Paris. Na schön, vielleicht New York. Aber nur vielleicht und auch nur wenn man mindestens einmal pro Woche bei Gallagher’s Rinderbraten essen und den Rest des Tages bei Barns & Noble beim Schmökern vertrödeln könnte.
    Aber zurückgehen, so wie Ota es meinte? Zurück in den Dienst, in sein Leben als Kapitán David Anděl, Kommissar der Prager Mordparta, ins Kommissariat in der Bartolomějská, wo es die grässlichste Kantine der ganzen Stadt gab, aber die hübscheste Kassiererin; wo man von seinem Bürofenster aus mittags im Dachgeschoss gegenüber dem Oberst beim Schäferstündchen mit der Gattin des stellvertretenden Polizeipräsidenten zusehen konnte; wo derselbe Oberst weiterhin durch die Gänge toben würde, egal was er sich hatte zuschulden kommen lassen, eben weil er mit der Borůvková schlief und mit deren Gatten regelmäßig Tennis spielte; wo die uniformierten Kollegen von der Stadtpolizei die Bürger und Touristen, die Anzeige wegen eines Diebstahls erstatten wollten, stundenlang warten ließen in der Hoffnung, diese werde während der langen Wartezeit die Leute verlassen und sie würden so zermürbt von einer Anzeige Abstand nehmen; wo einem abends auf dem Heimweg Menschen vom Bethlehem-Platz entgegenkamen, die aussahen, als seien sie aus einer lange vergangenen Zeit in die unsere gefallen und die einem nur einen Prospekt für irgendeins der zahllosen täglichen Konzerte in die Hand
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