Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens
Autoren: Helena Reich
Vom Netzwerk:
auf Kafkas Miene Entsetzen und Schuld. »O Gott«, flüsterte er schließlich, »das Kind … warum hat sie nicht mit mir gesprochen? Ich bereue das alles mehr, als ich sagen kann … Seit Jahren ringe ich mit mir, ihr die Wahrheit zu sagen … ich habe es nicht fertiggebracht, ich hatte Angst, sie würde mich hassen dafür, mich verlassen … und nun das …«
    »Die Geschichte mit dem Kind und dem Arzt ist also wahr?«, fragte Nebeský.
    Kafka nickte. »Ich war dumm damals, eifersüchtig … borniert … nennen Sie es, wie Sie wollen. Als ich Irena kennenlernte, war sie schwanger, im fünften oder sechsten Monat. Sie war eine wunderbare Frau, lebensfroh, schön, klug – ach, alles, was man sich so wünscht. Ich wollte sie trotz des Kindes. Aber sie hing sehr an diesem anderen Mann. Der Kerl war nach Amerika gegangen. Sie behauptete, er wisse nichts davon, aber sie hat ihm Briefe geschrieben, die sie dann doch nicht abgeschickt hat, weil sie ihn nicht zwingen wollte zurückzukommen. Von ihm kamen auch ein paar, aber die habe ich aus dem Verkehr gezogen. Als von ihm nichts kam, willigte sie ein, mich zu heiraten, aber erst nach der Geburt. Sie wollte, dass sein Name in der Geburtsurkunde steht – keine Lügen. Ich dachte, ich würde das Kind trotzdem als mein eigenes annehmen, aber als ich es dann sah – es sah ihr überhaupt nicht ähnlich, musste ganz der Vater sein –, da bin ich durchgedreht, anders kann ich mir das nicht erklären.« Er seufzte tief. »Ich habe den Arzt bestochen. Er sollte das Kind irgendwie loswerden und meiner Frau sagen, es sei tot zur Welt gekommen. Er ist darauf eingegangen, keine Ahnung, warum, das hat mich nicht interessiert. Ich wollte auch nicht wissen, was er mit dem Kind macht. Ich wollte es nur aus meinem, aus unserem Leben entfernen.« Er stand auf und ging hinüber zu der Anrichte, um sich einen neuen Drink einzuschenken. »Ich dachte, wir würden eigene Kinder bekommen, und sie würde darüber hinwegkommen. Sie hat es nie gesehen … Aber es kam anders, wie so oft im Leben. Es hat nicht geklappt mit den Kindern. Nach drei Fehlgeburten haben wir aufgegeben.«
    »Hat Ihre Frau jemals an der Geschichte gezweifelt?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Nein. Wir hatten ja einen offiziellen Totenschein. Sogar ein Grab in Cheb. Sie hat das Mädchen Klára genannt, nachdem sie erfahren hat, dass es tot ist. Sie sagte der Hebamme, sie wolle nicht, dass das Kind ohne Namen in den Himmel kommt.« Er wischte sich mit einer Hand über das Gesicht. »Und jetzt hat sie es also gefunden – hat sie gewusst, dass dieses Mädchen ihre Tochter ist?«
    »Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Die alte Frau ist kurz nach dem Besuch Ihrer Frau gestorben. Sie hatte Angst, das Kind zu verlieren – und ein schwaches Herz.«
    »Sie habe ich also auch noch auf dem Gewissen …«
    Und den Großvater, fügte Nebeský in Gedanken hinzu. Aber vielleicht auch nicht. Das Kind hatte diesen Lajtr in der Nähe des Hauses gesehen …
    »Das wäre also so weit geklärt. Ich habe aber noch ein paar andere Fragen an Sie, die mit Ihrer Tätigkeit zusammenhängen. Fühlen Sie sich dem gewachsen? Sie dürfen einen Anwalt hinzuziehen, wenn Sie wollen.«
    Kafka machte eine müde, wegwerfende Geste. »Fragen Sie nur. Anwalt bin ich selbst. Und jetzt ist ohnehin alles egal. Was wollen Sie noch wissen?«
    Nebeský holte die gefaxten Fotos aus seiner Jackentasche und breitete sie vor dem Anwalt aus. »Können Sie uns etwas dazu sagen?«
    Kafka betrachtete die Bilder lange und aufmerksam, sein Gesicht eine ausdruckslose Maske. Schließlich sah er auf, schloss einen Moment die Augen, als sammle er Kraft. Als er sie wieder öffnete, hatte er offenbar einen Entschluss gefasst. »Ich verstehe, deshalb der Herr vom Geheimdienst. Jetzt wird mir so manches klar … Sie sind vermutlich wegen des erschossenen Kommissars hier. Ich habe nichts damit zu tun – und ich kann es beweisen.« Er stand auf und ging zu einem Schranktresor, der schräg hinter seinem Schreibtisch stand. Ein paar Minuten später kehrte er mit einem Videoband zurück, das er dem Inspektor überreichte. »Ich hätte gerne eine Quittung dafür, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich habe vor ein paar Wochen heimlich eine Kamera in dieses Büro einbauen lassen, weil ich den Eindruck hatte, dass es für abendliche Treffen missbraucht wird. Ich dachte an geheime Schäferstündchen oder ähnlich harmloses Zeug. Mein Sofa ist recht bequem.« Er lächelte schief. »Aber es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher