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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens
Autoren: Helena Reich
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Kriminalität kümmerte. Es gab allerlei Probleme mit der Mafia – oder vielmehr den Mafias. Es gab die Vietnamesen, die Russen, die Italiener, die Dagestaner, die Bulgaren, die Kosovaren und wie sie noch alle hießen, sie verschoben Zigaretten, Waffen, Drogen, Frauen. Sie wuschen Geld auf jede erdenkliche Weise, kauften Immobilien, zogen Kapital aus Firmen, die sie damit in den sorgfältig geplanten Ruin trieben. Von roten Rosen war in letzter Zeit allerdings nicht die Rede gewesen. Er dachte an Skarlets Idee mit dem Falschgeld – eine hübsche Idee und vergleichsweise harmlos. Er erinnerte sich an das Gerücht, das kurz nach der Samtenen Revolution die Runde gemacht hatte. Um Falschgeld war es dabei allerdings nicht gegangen. David hatte gestern auch nichts Derartiges erwähnt. Es war bei ihrem Gespräch nur um verschlüsselte Dokumente gegangen, altes Zeug aus dem Zweiten Weltkrieg, nicht um die Mafia und die üblichen Sachen, die verschoben wurden, schon gar nicht um rote Rosen. Er hatte keine Ahnung, woran David sonst noch arbeitete, sie hatten nicht darüber gesprochen. Vielleicht wusste er gar nichts davon. Er war bei der Mordkommission, nicht beim Drogendezernat, nicht bei der Sitte. Aber warum sollte ihn dann jemand aus dem Weg räumen wollen? Wegen der beschlagnahmten Zigaretten und der beseitigten Fingerabdrücke? Eher unwahrscheinlich. David hatte ihn vor zwei Tagen angerufen und um Hilfe gebeten. Irgendjemand hatte ihm erzählt, Felix sei nach dem Studium beim Geheimdienst gelandet, arbeite dort als Kryptograf – und einen Kryptografen hatte David gebraucht für seine Lederbändchen und die anderen verschlüsselten Texte, die mit dem Tod des Alchemisten zusammenhingen. Felix hatte ihm gesagt, er arbeite im Finanzministerium. David hatte gelacht. »Ach, so nennt man das«, hatte er gescherzt. »Dass ausgerechnet du bei den Entschlüsslern gelandet bist …« Felix hatte ihn in dem Glauben gelassen. In dieser Abteilung hatte er nach dem Studium angefangen, doch seit knapp zwei Jahren kümmerte er sich um andere Dinge, spannendere, wie er fand. Aber darüber sprach man nicht in aller Öffentlichkeit. Wir waren zu vorsichtig, dachte er jetzt, hoffentlich komme ich nicht zu spät. Einen Moment lang fragte er sich, ob Skarlet nicht doch die ganze Situation und das Gespräch irgendwie missverstanden hatte. Wie genau verstand man Sätze durch eine angelehnte Tür? Wie viel hatte sie wirklich gehört, wie viel hineininterpretiert, wie viel dazugedichtet? Sie war jung, unerfahren, romantisch. Sie liebte Agentenfilme. Er hatte ihren Gesichtsausdruck gesehen, als er nach dem Wann und Wo gefragt hatte. Sie hatte sich wie im Film gefühlt. Ein Gefühl, das er in diesem Augenblick durchaus nachvollziehen konnte. Er hatte es sich nicht verkneifen können, seinen Abgang passend zu inszenieren. Zum Glück kannte er den Oberkellner des Pálffy gut – der Mann war seit Jahren sein Nachbar, und Felix nahm jeden Morgen seinen Hund zum Joggen mit. In einem anderen Restaurant wäre dieses Theater unmöglich gewesen – ein glücklicher Zufall, dass er das Pálffy ausgesucht hatte. Skarlet war tief beeindruckt gewesen. Nun, im schlimmsten Fall würde er sich im weiteren Verlauf dieser seltsamen Geschichte bis auf die Knochen blamieren, im besten konnte er vielleicht seinem Freund das Leben retten. Und zwischen diesen Extremen gab es noch jede Menge weitere Möglichkeiten.
    Als er die Straße entlangraste, in der Davids Wohnung lag, sah er einen Mann um ein Auto zur Fahrertür schlittern, schwarze Kleidung, schwarze Mütze. Es musste das Haus sein, in dem David wohnte, vor dem das Auto parkte. Der Mann fummelte kurz am Schloss, warf etwas in den Wagen, glitt auf den Fahrersitz, startete den Motor. Felix trat die Bremse durch, der Wagen kam ins Schlittern, er brachte ihn nach ein paar Metern wieder unter Kontrolle. Währenddessen setzte der alte Golf zurück, krachte gegen den Wagen dahinter. Blech knirschte, Glas splitterte. Der Motor heulte auf. Der Mann kurbelte wild, versuchte, aus der engen Parklücke zu kommen. Felix Benda sprang aus dem Wagen, schlitterte über die vereiste Straße, wollte den Türgriff fassen – zu spät. Der Typ im Golf trat das Gas durch, streifte den vor ihm parkenden Wagen, wieder splitterte Glas, knirschte Blech, Felix wurde auf die Straße geschleudert, der Golf schoss mit quietschenden Reifen die Straße hinauf, bog an der nächsten Ecke ab, war weg.
    Felix blieb einen Moment auf der Fahrbahn
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