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Rein Wie Der Tod

Rein Wie Der Tod

Titel: Rein Wie Der Tod
Autoren: Kjell Ola Dahl
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neunzehnjährigen Jungen. »Bin in Schande gekommen«, sagte sie grinsend, als er große Augen machte. »Mit sechzehn.«
    »Machen Sie Witze?«
    Sie presste die Lippen zusammen und schüttelte leicht den Kopf. »Lesen Sie keine Regenbogenpresse? Der Teil meines Lebens war wie ein schlechter Film nach einer noch schlechteren Novelle. Ich habe als Au-Pair in Frankreich gearbeitet. Er war zehn Jahre älter als ich, hatte eine spannende Tätowierung am Oberarm und so weiter. Er stand in einer Bar in Montpellier hinterm Tresen - und hat sich abgeseilt, nachdem er mich dick gemacht hatte. Nein, ich mache keine Witze. Meine und Kristoffers Geschichte ist voller Klischees, aber wir sind trotzdem ganz ordentlich geworden.«
    Sie stießen an. Ihre grauen Augen blitzten, wenn sie mit vollen Lippen lächelte und eine winzige Unregelmäßigkeit an ihrem rechten Schneidezahn entblößte, die das Lächeln knistern ließ.
    »Kristoffer, das ist mein Sohn.«
    Sie konnten sich gerade noch bedienen, bevor der Toastmaster am anderen Ende des Tisches aufstand und mit ein paar auswendig gelernten, heruntergeleierten Witzigkeiten einige Schmunzelwellen um den Tisch schickte. Frank hatte ein paar Sekunden mit der Frage gekämpft, ob er vielleicht den Mut fassen und ein paar Worte sagen sollte, da ja sonst keiner der Jugendfreunde da war. Aber, dachte er dann, wenn Karl Anders einen so großen Teil seiner Vergangenheit wegretouchiert, ist es unhöflich von mir, dem entgegenzuarbeiten. Wenn er gewollt hätte, dass ich von alten Zeiten erzähle, dann hätte er wohl Bescheid gesagt. Er beschloss, es sein zu lassen. Als der Toastmaster mit seiner Begrüßung fertig war, setzte das Stimmengesurr wieder ein.
    »Wollen Sie mich nicht fragen, was ich so mache?«
    »Ich wollte eigentlich einen anderen Auftakt wählen«, sagte er gewandt, »zum Beispiel die Frage nach Ihrem Lieblingsgericht.«
    »Waffeln und Champagner«, sagte sie grinsend. »Das Erste, was man in Frankreich über Wein lernt, ist, dass Champagner zu allem passt.« Sie zwinkerte. »Champagner ist für Frauen, was Milch für kleine Kinder ist. Nächste Frage.«
    »Würde Ihnen auf einer einsamen Insel Ihre Arbeit fehlen?«
    »Das kommt darauf an, was es auf dieser einsamen Insel zu tun gibt«, konterte sie. »Wo liegt sie?«
    »Wenn ich das bestimmen dürfte, in der Karibik«, sagte er.
    »Ist jetzt der Moment, wo ich sagen soll, dass ich gern nach Griechenland in Urlaub fahre?«
    »Wenn dem so ist, dann ja.«
    Der Toastmaster war aufgestanden und schlug mit der Gabel an sein Glas.
    »Khao Lak«, flüsterte sie schnell. »Mein Traumziel in Thailand. Übrigens arbeite ich als Buchhalterin, aber ich bin nicht so trocken und langweilig, wie der Mythos über uns behauptet.«
    Frank merkte kaum, wie die Zeit verging. Janne erzählte ihm, dass sie und Veronika zusammen auf das Gymnasium gegangen waren, in Nadderud. Veronika war aus dem Osten Oslos nach Bærum gezogen. Janne war ein paar Jahre später dran, wegen ihres Sohnes, und machte erst im Alter von vierundzwanzig Jahren Abitur. Sie und Veronika waren gleichaltrig, und die gemeinsame Frustration über das kindische Verhalten ihrer Mitschüler hatte sie zueinanderfinden lassen. Seitdem waren sie befreundet, und jetzt machte Janne die Buchhaltung ihrer Freundin.
    »Warum ist Veronika denn mehrere Jahre später als alle anderen aufs Gymnasium gegangen? Sie hatten schließlich ein Kind, um das Sie sich kümmern mussten, aber ...«
    »Haben wir nicht alle etwas, worum wir uns kümmern müssen?«, fragte sie zurück. »Was ist mit Ihnen und der Dunkelkammer, von der ich so viel gehört habe? Ich bin gespannt auf die wahre Geschichte.«
    Die wahre Geschichte, dachte er und verstummte.
    »Was ist los?«
    »Nichts.«
    »Ich sehe doch, dass etwas los ist.«
    »Erinnern Sie sich, dass das chinesische Politbüro einmal alle Schuld an der Kulturrevolution der sogenannten Viererbande gegeben hat?«, fragte Frank Frølich. »Die haben einfach die Geschichte umgeschrieben, haben die vier auf Bildern wegretouchiert und so was. Man sah eine lange Reihe prominenter Leute und ein Loch, wo die vier gestanden hatten.«
    »Aber was hat das mit Ihrer Dunkelkammer zu tun? Haben Sie auch aktive Retouchierung betrieben?«
    Frank griff nach seinem Glas. »Ich bin nur etwas unsicher, ob es so angenehm ist, der einzige Zeuge aus der Jugend des Geburtstagskindes zu sein.«
    Es war Mitternacht, als das Essen vorbei war. Janne und Frølich saßen auf einem Sofa und
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