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Rein Wie Der Tod

Rein Wie Der Tod

Titel: Rein Wie Der Tod
Autoren: Kjell Ola Dahl
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»Hast du das Veilchen gesehen?«
    Emil nickte.
    »Sie wollte nicht darüber sprechen.«
    Emil grinste. »Vielleicht eine etwas zu heiße Nacht?«
    Frølich verzog zweifelnd das Gesicht. »Lena?«
    »Hast du's nicht gehört? Letzten Freitag. Sie und Ståle Sender sind nach dem Freitagsbier gemeinsam gegangen. Der Gerüchtebörse zufolge ist das ›echt wahr‹.«
    »Lena und Ståle ?« Frølich konnte es kaum glauben, jedenfalls nicht sofort.
    »Ståle mit seinem stählernen Körper, weißt du.« Emil grinste und ging weiter.
    Frank Frølich setzte sich an seinen Schreibtisch. Lena und Ståle Sender? Ståle war versetzt worden - schon zum x-ten Mal. Jetzt kontrollierte er Pässe in Gardemoen, wenn er nicht gerade Asylbewerber drangsalierte.
    Ein ungleiches Paar: Lena war Einzelkind und Tochter aus gutem Hause. Im Restaurant brachte sie es fertig, eine Weinflasche zurückgehen zu lassen, wenn sie nicht richtig temperiert war. Lena sprach Oberschichtenslang, war »erschöpft«, wenn die anderen »platt« waren. Ståle , das Arbeiterkind aus Furuset, hatte drei Interessen: Autos, Uhren und Cognac - in der genannten Reihenfolge. In der Brieftasche trug er ein Foto von seinem Ford Mustang aus den Siebzigern, den er jeden Winter generalüberholen ließ. Schon zwei Mal hatte Ståle ein polizeiinternes Verfahren wegen Gewaltanwendung am Hals gehabt, die Fälle, wo Dinge verschwiegen oder vergessen worden waren, nicht mitgerechnet.
    Frank Frølich betrachtete die Anzeige. Sie war an einen Stapel Fotokopien geheftet. Das Bewerbungsschreiben der jungen Frau an die ISS, Oslos internationale Sommeruniversität. Rosalind M'Taya studierte an der Universität von Makerere Naturwissenschaften, und - soweit er erkennen konnte - mit beeindruckenden Ergebnissen. Empfehlungsschreiben von zwei Professoren, die sie in höchsten Tönen lobten. Letters of Invitation der Universität Oslo. Eingeladen zu sechs Wochen Aufenthalt im internationalen Wissenschaftsmilieu mit hoch kompetenten Dozenten. Das Foto verriet, dass Rosalind M'Taya überdurchschnittlich hübsch war. Sie trug ihr Haar hochgesteckt, geflochten in kleinen stilvoll drapierten Zöpfen. Wie ein Reh schaute sie ihn vom Foto an. Vollendete Lippen, geschwungene Wimpern.
    Ein paar Tage in Norwegen und dann plötzlich verschwunden? Das hier war kein Sexhandel. Rosalind war eine seriöse Studentin, nicht von zwielichtigen Osteuropäern eingeschleust, um in einer Wohnung in der Bygdøy Allee Männer zu bedienen.
    Sie landete in Gardemoen. Sie ging durch die Passkontrolle und den Zoll. Nahm einen Schnellzug oder den Flughafenbus. Garantiert kein Taxi. Sie hat bestimmt eine Wegbeschreibung von der Sommeruniversität bekommen. Schnellzug wäre das Einfachste. Dann könnte sie am Nationaltheater direkt in die T-Bahn umsteigen und nach Blindern weiterfahren. Hübsches Mädchen und höchstwahrscheinlich arm, prämiert mit diesem Auslandsaufenthalt. Unsicher, vielleicht zum ersten Mal im Ausland. Begabt - sicher auch zurückhaltend, ernsthaft. Welchen Menschen könnte sie vertraut haben? Anderen Afrikanern? Mitstudierenden?
    Rosalind M'Taya verschwand zwei Tage, nachdem sie im Studentenheim eingecheckt hatte.
    In Oslo leben ein Haufen Menschen, die für eine Entwicklungshilfeorganisation oder die UNO in Ost-Afrika gearbeitet haben. Vielleicht hatte Rosalind eine Adresse von zuhause mitgebracht, vielleicht hat sie jemanden besucht. Vielleicht war sie immer noch zu Besuch bei diesen Menschen. Vielleicht fuhr ein ehemaliger Missionar sie herum, zeigte ihr gerade in diesem Moment die Wikingerschiffe oder den Vigeland-Park. Vielleicht waren diese Spekulationen nur vergeudete Zeit.
    Lena und Ståle Sender!
    Konnte das wahr sein? Das Oberschicht-Mädchen aus Bærum im Bett mit einem primitiven, rassistischen Straßenjungen, der bei Einsätzen mit Schusswaffengebrauch eine Erektion bekam?
    Frank Frølich stand auf. Es war eine lange Nacht gewesen. Er sollte lieber nach Hause gehen.
    Anderthalb Stunden später stand er im Studentenwohnheim in Rosalind M'Tayas Zimmer. Die pakistanische Zimmergenossin reichte ihm bis zu den Brustwarzen. Ihr Zopf war ein handwerkliches Kunstwerk, dick und lang und schwarz und mit einem Muster wie bei einem Kletterseil in einer Turnhalle. Wenn sie lächelte, zeigte sie lange schiefe Zähne. Sie erzählte, sie sei Rosalind nie begegnet. Aber die Sachen in dem Koffer würden ihr gehören.
    Frølich öffnete den Koffer und fand seine Annahme bezüglich Rosalinds Herkunft
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