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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel
Autoren: G Pauly
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verschlossen. Und antworten muss ich nicht. Was geht es mich an, dass Georg der zwanzig Jahre jüngeren Frau mit einem Porsche imponieren will? Wenn ihm das wichtig ist, dann soll er gefälligst dafür bezahlen. Ein Schnäppchen ist das Letzte, wozu ich ihm verhelfen werde.

2.
    Es dauerte nicht lange, da waren sie allein. Die anderen wollten nach der Ankunft in der Jugendherberge zum Strand laufen, um zu baden, auch Uschi. Und Paul war dankbar, als Sophia sagte: »Ich möchte lieber erst auspacken. Das Meer ist auch morgen noch da.«
    Er konnte an ihrem Gesicht ablesen, dass sie an das Geschenk dachte. Sie war gespannt, freute sich darauf. Und sie nickte mit leuchtenden Augen, als er sie bat, im Garten zu warten. »Ich werde es holen. Bin gleich zurück.«
    In dem Schlafraum, den er sich mit Rolf und Werner |20| teilte, zog er das Blatt Papier aus seiner Reisetasche — und verlor prompt einen Teil seiner Zuversicht. Die Plastikhülle, die das Blatt schützen sollte, hatte nicht viel bewirkt. Das Blatt, das er herauszog, war gemasert von vielen Knicken und Falten. Paul dachte daran, dass Werner auf der Tasche gesessen hatte, während sie auf den Zug warteten, und dass sie, als Paul sie schwungvoll und äußerst lässig ins Gepäcknetz werfen wollte, einen Salto gemacht hatte, der sie auf den Schoß eines Sitznachbarn beförderte. Der war sehr ärgerlich gewesen und hatte die Tasche mit beiden Fäusten zusammengedrückt und sie Paul an die Brust geworfen.
    Paul strich über das Blatt, um es zu glätten, aber das machte die Sache nicht besser. Er hätte sich vorher die Hände waschen sollen. Nein, er konnte sich nichts mehr vormachen. Aus der Kostbarkeit war plötzlich etwas Fadenscheiniges geworden.
    Winzige Augenblicke der Angst durchlebte er, während er das Blatt Papier zwischen seinen Fingerspitzen drehte. Unmöglich, es Sophia als Geschenk zu überreichen! Plötzlich wog auch die Frage, ob man »Leib« mit ei oder ai schrieb, viel schwerer. Nein, er musste es anders anstellen. Er wollte ihr das Gedicht nicht geben, sondern es ihr vorlesen. Nur … was sollte er tun, wenn sie ihn anschließend bat: »Gib es mir, damit ich es vor dem Einschlafen noch einmal lesen kann.« Heimlich ergänzte Paul: und nach dem Aufwachen, auf der Rückreise, unter der Schulbank und während der Mahlzeiten.
    Sie würde es ihren Freundinnen zeigen und ihren Eltern und Geschwistern. »Schaut mal, dieses Gedicht hat Paul geschrieben! Nur für mich! Wie findet ihr das?«
    |21| Alle würden das Blatt ansehen und über seine Rechtschreibfehler lachen oder über die grauen Äderungen, die von allen vier Ecken das Blatt verunstalteten. Das alles würde am Ende wichtiger geworden sein als das, was er Sophia zu sagen hatte.
    »Ich werde das Gedicht noch einmal sauber für dich abschreiben«, würde er ihr antworten und sich vorher irgendwo erkundigen, wie man »Leib« schrieb.
    »Was ich dir sagen will …«, begann er eine halbe Stunde später und sah in ihre großen grauen Augen.
    Sophia starrte auf das Blatt Papier. Sah sie, dass seine Hände zitterten?
    Sie saß in einem der Strandkörbe, die es im Garten der Jugendherberge gab, er hockte vor ihr im Gras. Sie die Königin, er ihr Hofnarr, der sie mit seinem Geschenk unterhalten wollte. So jedenfalls kam es ihm plötzlich vor. Ob sie das Pflaster störte, das auf seiner Stirn prangte? Eine dumme Angewohnheit von ihm, Schranktüren zu öffnen und nicht wieder zu schließen! In diesem Fall ganz besonders, weil der Schlüssel, der im Schloss der Schranktür steckte, viereckig war und jede der vier Ecken zu spitz für einen aufgeregten Jungen, der schon bei geringeren Gemütsaufwallungen die Körperbeherrschung verlor.
    Ob er seine Situation verbesserte, wenn er aufstand? Aber er wollte genauso wenig auf sie hinabblicken. Und sich zu ihr in den Strandkorb setzen wollte er auch nicht. Was er ihr zu sagen hatte, brauchte Platz. Ein bis zwei Meter mindestens.
    »Was ich dir sagen will …«, begann er noch einmal.
    |22| Jetzt schien sie zu begreifen, dass er nicht mit ihr redete, sondern ihr etwas vorlas. Sie zupfte den Saum ihres hellblauen Minirocks zurecht und richtete sich auf. So hatte er sie auch sitzen sehen, als sie gemeinsam zur Konfirmation gegangen waren. Sehr aufrecht, die Füße nebeneinander gestellt, den kurzen Rock so weit wie möglich zu den Knien gezogen. Die kleinen Spitzen der Angst, die aus seinem Verlangen stachen, wurden flacher und runder. Und er selbst wurde ruhiger. Der
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