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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot
Autoren: dtv
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Kraulbahnen ziehen, wie ein Rhinozeros auf Speed. Wenn er dann endlich nach ihr sah, würde er sie halb nackt im Schlafzimmer beim Anprobieren ihrer Abendgarderobe finden, genau da, wo sie seiner Weltsicht nach sein sollte.

2
    Aston und Dennett setzten sich auf zwei alte Stühle vom Trödel, jeder mit einer Dose Stella in der Hand. Wenn sie auch während der gesamten Überwachungsaktion rund um die Uhr vor Ort waren, hatten sie doch praktisch von acht Uhr abends bis acht Uhr morgens frei. Das waren die Stunden von Johnsons freiwilligem Ausgangsverbot, und da sollte, zumindest theoretisch, eine elektronische Fußfessel ihren Job übernehmen. Johnson musste sich nur aus der Reichweite des Telefons im Flur des Bewährungsheimes bewegen, und bei der Überwachungsfirma ging ein Alarm los. Sekunden später, so wurde behauptet, würde dann ein Anruf an die Polizei erfolgen. Bisher war es so, dass sich Johnson kaum bewegt hatte. Etwa gegen sechs war er zu Londis geschlendert, dem Tag und Nacht geöffneten Laden ein Stück die Straße hinunter, und wenig später mit einer Plastiktüte voller überteuerter Lebensmittel zurückgekommen. Jetzt, dachte Aston, saß er in seinem Zimmer und tat, was auch immer Soziopathen an einem ruhigen Abend zu Hause tun mochten.
    Aston riss seine Dose auf und nahm einen Schluck. Wenigstens waren sie in der Hinsicht gut versorgt: Im Tiefkühlfach gab es Pizza und unten im Kühlschrankausreichend Bier. Dennett schaltete den Fernseher ein und zappte ziellos durch die Kanäle.
    »Scheiße«, sagte er. »Ein Satellitenanschluss wäre eine nette Geste gewesen.«
    Astons Mund verzog sich zu fast so etwas wie einem Lächeln.
    »Vergiss die Überstunden nicht, Mann, die wir hier ansammeln, gar nicht zu reden von den Spesen. Und das, was da gerade läuft, ist ›Get Carter‹, das Original, einer der großen Momente des englischen Kinos.«
    Dennett zog eine Grimasse.
    »Diese ganze Siebziger-Jahre-Scheiße. Da ist jeder Tarantino besser.«
    Aston arbeitete seit Jahren mit Dennett zusammen, vertraute ihm blind und würde, was ihre Einsätze betraf, nichts auf ihn kommen lassen. Aber es war ihm absolut schleierhaft, wieso der Kerl trotz hunderter Stunden Überwachungsjobs immer noch absolut keine Ahnung vom Film hatte: Da war nichts, rein gar nichts,
niente.
    »Sieh dir nur die nächste Szene an«, sagte er.
    Der Fernseher, den ihnen das CID Crowby zur Verfügung gestellt hatte, sah aus, als stammte er noch aus Winston Churchills Nachlass, das Bild war jedoch überraschend gut. Dennett verfolgte skeptisch, wie sich Michael Caine darauf vorbereitete, Astons Lieblingssatz zu sagen, und zwar zu dem Schauspieler, dessen Namen er sich einfach nicht merken konnte, dem, der Alf Roberts in ›Coronation Street‹ gespielt hatte.
    »Du bist ein kräftiger Bursche, aber du bist nicht in Form«, sagte Aston, kurz bevor Caine es sagte, und freute sich über Dennetts verblüffte Miene. »An mir beißt du dir die Zähne aus.«
     
    Detective Sergeant Kerr zog die Tür seiner Doppelhaushälfte in Bovis hinter sich zu. Cathy, seine Frau, stand im Erdbeerbeet hinten im Garten und rupfte demonstrativ Unkraut. Das Gärtnern war eine ihrer neuen Leidenschaften, die er nicht teilte. Ihm fehle die Zeit dazu, behauptete er. Die Zwillinge Samuel und Susanne schliefen fest in ihrem Zimmer, das früher einmal sein persönliches Reich gewesen war. Vor drei Sommern waren die beiden überraschend auf der Bildfläche erschienen, und seitdem hatte sich einiges geändert. Am Abend, nachdem die Kleinen im Bett waren, hatte Cathy vorgeschlagen, könnten sie ein Glas Wein trinken oder vielleicht kurz in den »Lonely Ploughboy« hinübergehen, falls sie so kurzfristig für eine Stunde einen Babysitter bekommen könnten. Aber dann hatte sein Handy geklingelt.
    Er hielt kurz an der Ausfahrt aus ihrer Siedlung. Nach rechts ging es hinein ins Zentrum von Crowby, zum Präsidium, doch Kerr bog nach links ab, auf die Straße Richtung Wynarth. Manchmal, wenn er sich verschlagen oder paranoid genug fühlte, fuhr er erst ein Stück Richtung Crowby und kehrte dann um. Heute Abend beschloss er, es gleich zu riskieren. Irgendwann war es mit den Vorsichtsmaßnahmen genug, dachte er, irgendwann ertrug man die trostlosen Mechanismen des Betrugs nicht mehr.
    Er schob Steely Dan in die Musikanlage, ›Two Against Nature‹, und drehte den Ton lauter, als es ihm zu Hause je einfallen würde. Die machen immer noch gute Musik, dachte er, selbst wenn sie für ein
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