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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot
Autoren: dtv
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Job machte. Dann konnte sie sich ihre Papiere holen. Schließlich war
er
hier der Boss.
    »Ich brauche schnell eine Übersicht über die Zahlen des letzten Monats, Kleine. In einer Excel-Tabelle, wenn’s geht, okay?«
    Gus sah in ihre haselbraunen Augen, als wollte er ein Geheimnis erforschen. Nicht mal ihre Figur ließ sich richtig einschätzen in dem schwarzen Sack, den sie trug. Er konnte nur sagen, dass sie schlank war und ihre Brüste, ohne BH, wahrscheinlich größer waren, als man dachte.
    Die Kleine richtete den Blick auf ihren Bildschirm.
    »Kein Problem, Mr Mortimer.«
    Für gewöhnlich mochte Gus einen formellen Ton im Büro. Selbst wenn er sie vögelte, wollte er nicht, dass sie sich während der Arbeitszeit etwas herausnahmen. Aber die hier handhabte ihre gleichbleibende Höflichkeit wie einen Knüppel. Er sah ihr noch einen Moment zu. Ihre schlanken Finger mit den dunkelvioletten Nägeln glittenüber die Tasten.
Mit denen könntest du ganz schön was anrichten, Süße:
So was in der Art würde er ohne Weiteres zu Angie sagen. Jetzt sagte er nichts. Stattdessen staunte er über sich selbst, als er die Tür schloss und Faith ohne ein einziges herablassendes Wort allein ließ.
     
    Jacobson war kurz davor gewesen, Aston und Dennett, die beiden Birminghamer DCs, fürs Erste abzuschreiben, aber dann kroch ihr Zug endlich in den Bahnhof, volle fünfundfünfzig Minuten zu spät. Er verpulverte einen Großteil seines Bewirtungsbudgets mit einer Getränkerunde in »Yate’s Wine Lodge«, die kürzlich erst in dem Gebäude gegenüber vom Bahnhof eröffnet worden war, in dem früher der ›Evening Argus‹ residiert hatte. Eine halbe Stunde später ließ er sie dort zurück: Sie wollten ein Taxi in die Mill Street nehmen. Die beiden wirkten überzeugend zwielichtig und wurden argwöhnisch vom Personal des Weinlokals beäugt. Jacobson würde dem Fahrer keine Vorwürfe machen, wenn er die Fuhre ablehnte. Er ging zurück zum Präsidium, stieg in sein Auto und steuerte, jetzt selbst verspätet, sein nächstes Ziel an.
    Jacobson parkte unauffällig am Ende der Riverside Avenue und stieg aus. Große, in regelmäßigen Abständen gepflanzte Platanen säumten die Straße und filterten das gleißende Sonnenlicht. Er trat neben den Astra, öffnete die Beifahrertür und setzte sich hinein.
    »Alles ruhig, Kleine?«
    Detective Constable Emma Smith nickte.
    »Barnfield und seine Frau sind vor etwa zwanzig Minuten zurückgekommen. Sie waren im Supermarkt. Die planen im Moment höchstens eine Grillparty.«
    Jacobson blickte die Straße hinunter und betrachtetedann das Haus gegenüber. Es wirkte solide und war wie seine Nachbarn rund hundertfünfzig Jahre alt. Zu Fuß war man von hier in gerade mal vier Minuten am River Walk und dem Fluss. Dahinter lag der Memorial Park, wo man die Schwäne füttern, den Hund laufen lassen oder auf ein Glas ins »Riverside Hotel« gehen konnte.
    »Revoluzzerland ist das hier nicht unbedingt«, dachte Jacobson laut.
    Und doch waren die Barnfields zweifellos von allen potenziellen Unruhestiftern am ernstesten zu nehmen. Am ersten Tag des Prozesses hatte John Barnfield die strengen Sicherheitsmaßnahmen zum Gespött gemacht, indem er Linda Barnfields schärfsten »Küchenteufel«, ein wahrhaftes Hackebeil, gerade mal einen halben Meter vor Robert Johnsons Kehle durch die Luft geschwenkt hatte. Von da an, nachdem ihr Mann aus dem Gericht und dessen nächster Umgebung verbannt worden war, hatte Linda Barnfield die inoffizielle Führung des Mobs übernommen, der schimpfend und spuckend jede mantelbedeckte Ankunft im und jedes neuerliche Abführen aus dem Gerichtsgebäude begleitete. »Die Wut einer Mutter«, hatte die ›Sun‹ getitelt, als Linda Barnfield es schließlich auf die Titelseite schaffte.
    »Was glauben Sie, was die unternehmen werden, Chef?«
    Jacobson schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Emma, ich weiß es wirklich nicht.«
    Alle hatten Verständnis für die Barnfields. Ihre Tochter war gerade achtzehn geworden, als Johnson ins Haus eingedrungen war und sie allein mit ihrem Freund vorgefunden hatte, während die Eltern in Florida Urlaub machten. Er überwältigte den Jungen und hielt die Tochter sechzehn Stunden in seiner Gewalt. Es war die längsteund brutalste seiner Taten. Bulimie, Selbstverstümmelung, Heroinmissbrauch, das Mädchen konnte bis heute nicht verwinden, was der Kriecher ihr angetan hatte. Jacobson wollte sich nicht vorstellen, was er an Stelle der Barnfields
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